Die Symptome treten erst spät auf, die Ursachen sind nicht geklärt, Heilung ist nicht möglich – dennoch ist Morbus Parkinson gut behandelbar
Immer wieder verschlechterte sich die Stimmung von Alfons P. grundlos. Auch schlief er seit längerem unruhig, insbesondere wenn er träumte. Wenn seine Enkel vom leckeren Duft des Sonntagsbratens schwärmten, nahm er ihn erst mit der Nase über dem Küchentopf wahr. All dies beunruhigte ihn nicht, denn mit dem Alter kommen so mancherlei Beschwerden. Auch die Schrift wurde beim Schreiben immer undeutlicher und kleiner und die Geschicklichkeit beim Klavierspielen hatte in letzter Zeit, vor allem mit der einen Hand, nachgelassen. Die Gelenke wurden auch immer steifer. Langsam fragte er sich: „Ist das wirklich allein das zunehmende Alter?“ Als er sich das Hemd nicht mehr zuknöpfen konnte und die Hände immer wieder in Ruhesituationen zu zittern begannen, kam ihm ein Verdacht: Hatte er Parkinson?
Mithilfe von Bildern aus dem CT sollen andere Erkrankungen, die die gleichen Symptome wie Morbus Parkinson aufweisen, ausgeschlossen werden
Das Krankheitsbild
Nach verschiedenen Arztbesuchen, erst beim Hausarzt, dann beim niedergelassenen Neurologen, verfestigte sich die Vermutung. Um für eine eindeutige Diagnose weiterführende Untersuchungen durchzuführen und eine passende Therapie zu finden, weist ein niedergelassener Arzt ihn in die Klinik für Neurologie ins Klinikum Ingolstadt ein.
Dort ist der Oberarzt Dr. Victor Collado Seidel Spezialist für die Krankheit. Bei Morbus Parkinson sterben Nervenzellen, unter anderem in der sogenannten schwarzen Substanz, im Gehirn vorschnell ab. Das führt zu einem Mangel des Nervenbotenstoffes Dopamin im Gehirn. Das ist von zentraler Bedeutung für die Steuerung von Bewegungen. Der Mangel führt zu einer Verlangsamung der Bewegungsabläufe, einer zunehmenden Steifheit und dem Auftreten von Zittern. Die Erkrankung schreitet über viele Jahre unbemerkt voran und der Ausfall der Nervenzellen kann lange gut kompensiert werden. Erst wenn 50 bis 60 Prozent der dopaminbildenden Zellen abgestorben sind, treten die ersten motorischen Parkinson-Symptome auf. Die Ausprägung der Symptome ist nicht bei allen Patienten gleich. „In manchen Fällen werden sie anfänglich als Gelenkprobleme oder Depression fehlgedeutet. Bis zu einer Diagnose können noch einmal Jahre vergehen. Grundsätzlich ist Morbus Parkinson eine Erkrankung des gesamten Nervensystems. Mögliche frühe Zeichen sind Riech- und Schlafstörungen, Verstopfung oder Depression“, erklärt Dr. Collado Seidel. Warum Menschen an Parkinson erkranken, ist bis heute nicht gänzlich geklärt. Alter, Umwelteinflüsse und genetische Anlagen sind den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nach die entscheidenden Faktoren. Das Zusammenspiel und die Bedeutung der einzelnen Faktoren sind aber bei jedem Patienten unterschiedlich. Erblich bedingt ist die Erkrankung nur in den seltensten Fällen. Neueren Erkenntnissen zu Folge wird vermutet, dass der Morbus Parkinson zuerst die Nervenzellen des Darmes betrifft und sich von dort aus ins Gehirn weiter verbreitet.
Die Diagnose von Parkinson
Die typischen Symptome sind: Bewegungsverlangsamung und -verarmung, Steifigkeit, Zittern und verminderte Standfestigkeit. „Sie können aber auch andere Ursachen haben, die zum Teil nur schwer oder erst im weiteren Krankheitsverlauf differenziert werden können“, weiß der erfahrene Klinik-Neurologe. Neben einer eingehenden körperlichen neurologischen Untersuchung ist die Verlaufsbeurteilung sowie das Ansprechen auf die Therapie von zentraler Bedeutung. Am Anfang sollten aber insbesondere mithilfe von bildgebenden Verfahren wie Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT) oder nuklearmedizinischen Untersuchungen (DAT-SPECT) andere Erkrankungen des Gehirns ausgeschlossen werden, die ähnliche Symptome verursachen können. Die Ergebnisse aus Tremoranalysen oder eine Untersuchung im Schlaflabor können weitere Diagnosebausteine sein. „Wir geben den Patienten mit Verdacht auf Parkinson auch Medikamente mit dem Wirkstoff Levodopa, der Vorstufe des Nervenbotenstoffes Dopamin. Verbessert sich der Zustand des Patienten mit der Einnahme, ist das ein starker Hinweis auf das Vorliegen der Krankheit“ , so Dr. Collado Seidel.
Erste motorische Parkinson-Symptome treten bei Betroffenen auf, wenn 50 bis 60% der dopaminbildenden Zellen im Gehirn abgestorben sind.
Die Behandlung
Die Parkinsonkrankheit ist gut behandelbar, eine Heilung aber nicht möglich. Die Behandlung fußt neben der medikamentösen auf einer gezielten kranken-gymnastischen Behandlung. Medikamentös steht der Ausgleich des Dopaminmangels im Gehirn im Mittelpunkt. Dieser führt vor allem dazu, dass Patienten wieder beweglicher werden und das Zittern abnimmt. Von Bedeutung sind zwei Medikamentengruppen. Erstens Levodopa, die Vorstufe des Dopamins. Levodopa wird in die Nervenzellen aufgenommen und dort zu Dopamin umgewandelt, so dass mehr Dopamin bei der Kommunikation zwischen den Nervenzellen zur Verfügung steht. Zweitens die Dopaminagonisten. Diese wirken direkt an den Dopamin-Rezeptoren im Gehirn als synthetischer Dopamin-Ersatz. Die Wirkung der Dopaminagonisten ist zwar nicht so stark wie die von Levodopa aber dafür länger anhaltend.
Um die Wirkung von Levodopa zu verlängern, stehen Medikamente zur Verfügung, die den Abbau von Levodopa verzögern. Dazu gehören sogenannte MAO-BHemmer und COMT-Hemmer. „In den ersten Jahren der Erkrankung reicht üblicherweise die Behandlung mit einem Medikament (Levodopa oder ein Dopaminagonist) aus. Durch das Voranschreiten der Erkrankung ist nach etwa fünf Jahren oft eine Kombination aus verschiedenen Medikamenten notwendig. Wobei der individuelle Verlauf der Erkrankung sehr unterschiedlich sein kann. Nach zehn bis 20 Jahren kann es zu stärkeren Schwankungen kommen, die durch die bisherige medikamentöse Therapie nicht mehr zufriedenstellend behandelt werden können. Hier muss geprüft werden, in wie weit so genannte „invasive“ Behandlungsmethoden hilfreich sind“, so Collado Seidel.
Bei der Entscheidung über die Wahl der Medikamentenkombination spielen neben dem Alter auch mögliche Nebenwirkungen eine wichtige Rolle. Levodopa führt besonders bei jüngeren Patienten leichter zu Überbewegungen, die Dopaminagonisten hingegen können bei älteren Patienten Halluzinationen hervorrufen. Weitere mögliche Nebenwirkungen können darüberhinaus sogenannte Impulskontrollstörungen (Spiel-, Einkauf-, Sexsucht) und Schlafattacken sein. Sie betreffen zwar nur einen Teil der Patienten, insbesondere wenn sie mit einem hochdosierten Dopaminagonisten behandelt werden, können aber den Patienten und seine Angehörigen stark beeinträchtigen.
„Bei Patienten, die unter stärkeren Wirkungsschwankungen leiden und durch die orale medikamentöse Therapie nicht mehr zufriedenstellend behandelt werden können, sollte immer geprüft werden, inwieweit so genannte „invasive“ Behandlungsmethoden hilfreich sind. Ziel ist es eine gleichmäßige Stimulation der von Dopamin abhängigen Nervenzellen im Gehirn zu gewährleisten“, erklärt Dr. Collado Seidel.
Die erfolgreichste Methode ist die einer Hirnstimulation. Dabei wird eine kleine Stimulationssonde im Bereich der betroffenen Hirnstrukturen eingebracht. „Die Sorgen von Patienten, sich einer Operation am Gehirn auszusetzen, sind oft groß, aber nur in Teilen begründet. Die tiefe Hirnstimulation führt in den meisten Fällen zu einer durchschlagenden und anhaltenden Besserung der Beweglichkeit, bei gleichzeitiger deutlicher Reduktion der einzunehmenden Medikamente“, erklärt der Neurologe. „Aber nicht jeder Patient ist geeignet und eine sorgfältige Risiko-Nutzen-Abwägung ist im Vorfeld notwendig“.
Daneben kommen auch Pumpensysteme zum Einsatz. Hierbei kann Apomorphin, ein Dopaminagonist ähnlich einer Insulin-Pumpe bei Diabetikern, über die Haut zugeführt werden. Alternativ kann über eine Darmsonde durch die Bauchdecke gewährleistet werden, dass Levodopa gleichmäßig aufgenommen wird. Diese Systeme sind in der Handhabung aufwendiger und insbesondere für ältere Patienten, die nicht mehr einer tiefen Hirnstimulation zugeführt werden können, eine gute Alternative.
„Weitere wichtige Bausteine der Therapie sind Physiotherapie, Logopädie und Ergotherapie, die oft einen ähnlich starken Effekt auf die Beweglichkeit ausüben können wie die Medikamente. Aber auch eine psychologische Betreuung der Patienten und der Angehörigen ist wichtig. Betroffene sollten sich ausreichend und gesund ernähren, müssen aber keine speziellen Diäten einhalten“, weiß Dr. Collado Seidel. „Mit den Behandlungsmöglichkeiten, die uns zum jetzigen Zeitpunkt zur Verfügung stehen, kann man die Lebensqualität der Patienten über viele Jahre gewährleisten, trotz des weiteren Fortschreitens des Erkrankungsprozesses.“
Ihr Experte
Dr. Victor Collado Seidel, Oberarzt der Klinik für Neurologie im Klinikum Ingolstadt
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Sekretariat der Klinik für Neurologie
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