Periphere Nervenerkrankungen
Obgleich Nerven den gesamten Körper durchziehen, kommt es doch meist nur im Bereich der Nervenstämme zu Schäden, die behandelt werden müssen. Aus der Schädelbasis treten die Hirnnerven aus. In Höhe einer jeden Bandscheibe verlassen Nervenwurzeln den Wirbelkanal und bilden über das Armgeflecht (Plexus) die drei großen Armnerven (Nervus radialis, Nervus medianus, Nervus ulnaris). An den Beinen sind es vom Beingepflecht ausgehend der Nervus femuralis und der Nervus ischiadicus.
Am häufigsten findet man Einengungen der Nerven an vorgegebenen Engpässen (Engpasssyndrom):
- Armgeflecht in Höhe des Schlüsselbeins (Skalenussyndrom): Einschlafen der Arme bei Arbeiten über Kopf, Tragen von Taschen
- Nervus medianus am Handgelenk (Carpaltunnelsyndrom): Nächtliche Schmerzen und Einschlafen des 1. – 3. Fingers
- Nervus ulnaris im Ellbogengelenk (Ulnarissyndrom): Pelzigkeit des 4. + 5. Fingers, Faustschlußschwäche
- Nervus radialis am Oberarm (nach Oberarmbruch): Fallhand, Taubheit am Handrücken
- Nervus peroneus am Wadenbeinköpfchen: Fußheberlähmung, Pelzigkeit am Vorfuß
- Nervus tibialis an der Fußinnenseite: Schmerzen und Pelzigkeit an der Fußsohle besonders nachts
Schädigungen der Nervenstämme führen zu typischen Schmerzen, Gefühlsstörungen oder Lähmungen, die auf den Ort der Erkrankung hinweisen.
Zur weiteren Abklärung sind elektrische Untersuchungen der Muskelaktivität (Elektromyogramm = EMG) und der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) erforderlich. In einzelnen Fällen ist eine Gefäßdarstellung und eine Magnetresonanztomographie sinnvoll.
Periphere Nerven zeigen eine gute Tendenz zur Erholung, wenn der Schaden nur kurz besteht. Die Behandlung richtet sich daher nach Ursache, Dauer und Schwere der Schädigung.
- Engpasssyndrome werden zunächst konservativ mit Ruhigstellung, Schmerzmittel, abschwellende Maßnahmen, Krankengymnastik, Elektrotherapie behandelt
- Halten die Beschwerden an, tritt ein dauerhaftes Taubheitsgefühl auf oder kommt es zum Muskelschwund, ist eine Freilegung mit Entlastung der Nerven erforderlich
Endoskopisches Verfahren (örtliche Betäubung):
Über einen kleinen Hautschnitt wird der Nerv freigelegt und die Enge erweitert (nur bei Carpaltunnelsyndrom möglich).
Offene Operation (Narkose oder örtliche Betäubung):
Freilegung des Nervs im Bereich des Engpasses (für alle Nervenfreilegungen geeignet).
Tumoren (Nervenknoten) müssen immer operativ freigelegt und entfernt werden, da sie über kurz oder lang durch weiteres Wachstum der Nerven zerstören.
Bei Verletzungen (Stich oder Schnittverletzungen) bei denen Lähmungen oder Gefühlsstörungen angegeben werden, müssen immer die entsprechenden Nerven freigelegt werden. Die Fähigkeit der Nerven nachzuwachsen eröffnet die Möglichkeit von Nervennähten und bei Defekten auch die Transplantation (eigenes Nervengewebe aus weniger wichtigen Hautnerven). Die Nerven bestehen aus mehreren „Kabeln”, die einzeln isoliert und mikrochirurgisch mit feinsten Fäden ohne Spannung vernäht werden. Defekte werden durch mehrere „Kabel” überbrückt.
Die Ergebnisse sind umso besser, je kürzer die Schädigung besteht, bis der Nerv operiert wird.
Da man weiß, daß die Nerven nur etwa 1 mm pro Tag wachsen, ist die Behandlung (z. B. bei Oberarmbrüchen) über mehrere Monate erforderlich. Wichtig ist auch eine intensive Nachbehandlung mit Elektrotherpie (zum Erhalt der gelähmten Muskel), Krankengymnastik, Ergotherapie sowie Versorgung mit Hilfsmittel (Schienen).