Das Aortenaneurysma
Aneurysmen (Erweiterungen) der Bauchschlagader
Erklärung und Häufigkeit
Ein Aneurysma ist die umschriebene Erweiterung eines Gefäßes um mehr als das 1,5 – fache seines normalen Durchmessers. Die normale Hauptschlagader hat einen mittleren Durchmesser von 12,7 mm (Frauen) bzw. 19.3 mm (Männer). Ab 3 cm Durchmesser spricht man von einem Aortenaneurysma (Erweiterung der Hauptschlagader). Etwa 10 % (jeder 10te) der über 65- jährigen Männer hat ein Aortenaneurysma (AA), Männer haben 9x häufiger ein AA als Frauen.
95 % aller Aneurysmen sind an der Hauptschlagader unterhalb des Abganges der Nierenarterien beheimatet.
Ein Aortenaneurysma kann ab einer gewissen Größe platzen (rupturieren), hierauf folgt – ohne Behandlung – der sichere Tod durch inneres Verbluten. Prominenteste Opfer einer Aneurysmaruptur waren 1955 der Physik- Nobelpreisträger Albert Einstein und der Literatur- Nobelpreisträger Thomas Mann.
Die Ursache für die Entstehung eines Aneurysmas ist am häufigsten (mehr als 80 %) ein degenerativer, arteriosklerotischer Wandprozeß. Andere Ursachen sind Verletzungen, Infektionskrankheiten (Syphilis), Entzündungen oder eine angeborene Bindegewebsschwäche. Aneurysmen treten familiär gehäuft auf, eine Erblichkeit (genetische Prädisposition) scheint zu existieren.
Die meisten Aortenaneurysmen sind Zufallsbefunde und verursachen keinerlei Beschwerden. Gelegentlich treten unspezifische Schmerzen im Bauchraum auf oder eine pulsierende Geschwulst lässt sich tasten. Auch Rückenschmerzen können von einem BAA (Bauchaortenaneurysma) verursacht werden. Nach Ruptur werden die Beschwerden nicht selten als akuter Bandscheibenvorfall missinterpretiert.
Die Verdachtsdiagnose kann bei schlanken Personen nach Abtasten des Bauchraums gestellt werden. Die Bestätigung der Diagnose wird gewöhnlich mit einem Ultraschallgerät erreicht. Zur weiteren Therapieplanung ist eine Computertomografie in Dünnschichttechnik (Schichtdicke < 1 mm) und selten eine Angiografie (Gefäßdarstellung) erforderlich. Da in der Angiografie nur das durchflossene Gefäß ohne Ablagerungen (wandständiger Thrombus) dargestellt wird, ist das Aneurysma in der Angiografie oft nur angedeutet zu sehen.
Die am meisten gefürchtete Komplikation des Aortenaneurysma ist die Ruptur (Riß der Aortenwand mit der Folge des inneren Verblutens). Eine Behandlungsnotwendigkeit ist normalerweise ab 5,0 cm gegeben, weil ab diesem Durchmesser von dem Aneurysma eine größere Gefahr für den Patienten ausgeht, als von der notwendigen Operation. Bei Frauen, rasch zunehmenden Durchmesser oder auffälliger Konfiguration (Unregelmäßigkeiten der Schlagaderwand) kann auch schon bei kleineren Durchmessern eine Indikation zur Operation gegeben sein.
Therapieoptionen
Für ein konservatives (abwartendes) Vorgehen kann entschieden werden, wenn das Risiko für einen Eingriff aufgrund vielfacher schwerer Nebenerkrankungen deutlich erhöht ist. Auch bei Durchmessern zwischen 4 und 5,5 cm kann in Absprache zwischen dem Patienten und dem Arzt dieses Vorgehen ausgewählt werden.
Es ist darauf zu achten, dass ein regelmäßiger Stuhlgang vorliegt, Obstipation (Verstopfung) ist zu vermeiden, da durch die Bauchpresse beim Toilettengang das Aneurysma platzen kann. Ein eventuell vorhandener Bluthochdruck sollte gut auf normale Werte eingestellt werden. Schwerarbeit oder Gewichtheben sollte unterlassen werden. Eine regelmäßige Sonografiekontrolle kann eventuell bei schnell wachsendem Aneurysma Anlass dazu geben doch ein operatives Verfahren auszuwählen.
Die erste offene chirurgische Aortenaneurysmaoperation, wie sie auch heute mit kleinen Veränderungen durchgeführt wird, wurde 1951 von dem Franzosen Charles Dubost erstmals eingeführt. Nach Eröffnung der Bauchhöhle, wird hierbei der aneurysmabetroffene Anteil der Hauptschlagader aufgeschnitten und eine Kunststoffprothese (Polyester/Dacron) in die gesunde Aorta eingenäht.
Die Sterblichkeit liegt in der Literatur zwischen 1 und 8 % innerhalb der ersten 30 Tage nach Operation. Die Wahrscheinlichkeit eine Komplikation (Herzinfarkt, Nierenschaden, Schlaganfall, Lungenentzündung, lokale Komplikationen) während des stationären Aufenthaltes zu erleiden liegt zwischen 46 und 96 %.
Allerdings wird diese Methode seit mehr als 55 Jahren als Standardoperations-verfahren angewandt, es liegen deshalb sichere Zahlen über den guten Langzeitverlauf nach offener Operation vor. Wenn der Patient die Akutphase der Operation überstanden hat, hat er mit großer Wahrscheinlichkeit keine Probleme in den nächsten Jahrzehnten zu erwarten. Trotzdem wird eine jährliche Ultraschallkontrolle als Nachuntersuchung empfohlen.
Im Jahre 1991 wurde von J.C. Parodi und N. Volodos ein neues Verfahren zur endovaskulären Ausschaltung von Aortenaneurysmen vorgestellt. Hierbei wird ein Stentgraft (mit Stoff ummanteltes Drahtgerüst) über die Leistenarterie operativ eingeführt, unterhalb der Nierenarterien platziert und freigesetzt. Das Blut fließt dann nicht mehr im Aneurysma sondern in dem Stentgraft und das Risiko der Ruptur ist damit ausgeschaltet. Voraussetzungen für die Anwendung dieses Verfahrens sind:
- ein ausreichender Abstand zwischen Nierenarterie und Beginn des Aneurysmas
- Ausreichend weite Beckenschlagadern (> 8 mm Durchmesser)
- Keine starken Knickbildungen
- Keine Nierenerkrankungen (Kontrastmittelgabe)
Vorteile dieses Verfahrens:
- Minimal invasiv
- Lokalanästhesie oder regionale Anästhesie möglich
- Niedrige Letalität- (Sterblichkeit nur etwa 25 % vom offenen Verfahren) und Komplikationsraten
Nachteile:
- Langzeitergebnisse (>10 Jahre) weitgehend unbekannt
- Undichtigkeiten im Stentgraft (Folgebehandlungen nötig)
- Ruptur des Aneurysmas (sehr selten!)
- Nicht immer möglich
Bei komplexen Befunden müssen hin und wieder maßgefertigte Stentgraftprothesen, teilweise mit Fenestrierungen (Aussparungen) oder Seitenarmen für Eingeweide-arterien ausgemessen und bestellt werden. Die Produktion dieser Prothesen kann bis zu 10 Wochen Zeit in Anspruch nehmen.
Bei ausgedehnten Aneurysmen, die die Eingeweidearterien mit einbeziehen und eventuell die Hauptschlagader im Brustkorb erreichen, waren bis vor kurzem große Eingriffe mit Eröffnung der Bauch- und Brusthöhle erforderlich. Diese Eingriffe hatten bei konventioneller Operation ein hohes Sterblichkeitsrisiko (~ 10 – 15 %) und gleichzeitig die Gefahr einer Querschnittslähmung (~ 7 – 15 %).
In einigen Fällen besteht die Möglichkeit Hybrideingriffe durchzuführen, dies ist eine Kombination aus endovaskulärer und offener Operation mit dem Ziel das Risiko für den Patienten zu minimieren.
In einem ersten Schritt erfolgt normalerweise über eine Eröffnung der Bauchhöhle nacheinander die Durchblutungssicherung der einzelnen wichtigen Bauchorgane (Darmarterie, Leberarterie, zweimal Nierenarterie).
Im zweiten Schritt wird dann das Aortenaneurysma in herkömmlicher Weise endovaskulär mit Stentgraft ausgeschalten. Hierbei können die ehemaligen Ansätze der Organarterien einfach mit überstentet werden, da die Durchblutung nun über die Bypässe erfolgt.
Alle Therapieverfahren können in unserer Klinik angeboten werden.