Leberkrebs
Krebserkrankungen an der Leber stellen eine gefährliche Erkrankung dar, die oft erst spät entdeckt wird. Sie können lebereigener Natur (Leberkrebs) sein oder von den Gallenwegen und anderen Bestandteilen der Leber ausgehen. Darüber hinaus ist die Leber eines der wichtigsten Organe, in dem sich Metastasen (Absiedelungen) anderer Tumorarten bilden.
Zwischen den Geschlechtern kommen die Erkrankungen sehr unterschiedlich häufig vor: Männer leiden doppelt so häufig an Leberkarzinomen wie Frauen. Die Erkrankung tritt meistens erst im hohen Alter (über 70 Jahre) auf. Die Chirurgie stellt den Goldstandard zur Behandlung von Tumoren der Leber und Tumoren bzw. Gewebeveränderungen der Gallenwege dar. Tumore in der Leber können nicht nur bösartig (maligne), sondern auch entzündliche oder auch gutartige (benigne) Geschwulste sein und die Durchblutung der Leber oder des Verdauungstrakts beeinträchtigen.
Die Optimierung der technischen Voraussetzungen, chirurgischen Strategien und die Einbettung der Leberchirurgie in vielschichtige Konzepte meist mehrerer medizinischer Fachdisziplinen hat die Überlebenswahrscheinlichkeit nach einer Entfernung von Lebergewebe deutlich verbessert. Die Leberchirurgie bietet häufig den einzigen Ansatz für eine Entfernung eines Tumors. Wenn dies nicht möglich ist, existieren abhängig von der Größe der Tumore und abhängig von der Diagnose auch effektive Alternativmöglichkeiten. Die am besten geeignete Therapie wird anhand mehrerer Kriterien gewählt:
- anatomische Voraussetzungen (Ist eine Operation technisch durchführbar?)
- funktionelle Voraussetzungen (Bleibt genügend Lebergewebe übrig?)
- allgemeine Fitness der Patient*in (Erlaubt die Gesamtverfassung einen belastenden Lebereingriff?)
Durch unsere langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Leberchirurgie und der hervorragenden Vernetzung mit unseren Nachbardisziplinen kann im Klinikum Ingolstadt eine leberchirurgische Versorgung auf höchstem Niveau angeboten werden. Falls nötig, können wir auch durch unsere universitäre Anbindung schnellen Zugang zu den neuesten Verfahren und Studien bieten. Am Klinikum Ingolstadt arbeiten die Fachbereiche Chirurgie, Gastroenterologie, Radiologie, Onkologie und Pathologie bei der Behandlung von Patient*innen mit Lebererkrankungen eng zusammen.
Anatomie
In der Segmenteinteilung (nach Couinaud) wird die Leber in acht funktionelle Lebersegmente eingeteilt, die der Verzweigung des Gefäßsystems in der Leber entsprechen.
Jedes Lebersegment stellt eine eigenständige funktionelle Einheit dar, mit portalvenösem und arteriellem Zufluss sowie venösem, lymphatischem und Galleabfluss.
Dies ist insofern von Bedeutung, da bei lebergesunden Menschen zwei von acht Lebersegmenten im Verlauf zum Leben ausreichen.
Ursachen und Risikofaktoren
Während für den Leberkrebs im engeren Sinne (Hepatozelluläres Karzinom, kurz HCC) einige Risikofaktoren wie übermäßiger Alkoholkonsum, chronische Infektionen mit Hepatitis B und C sowie einige Erberkrankungen bekannt sind, sind die Ursachen für die Entstehung von Gallenwegskrebsarten und anderer Tumore weitestgehend unbekannt. Lediglich für die Leberadenome wird ein Einfluss von Hormonen – beispielsweise von Anabolika – diskutiert.
Heilungschancen
Gutartige Lebertumore sind mit einer Operation in der Regel sehr gut behandelbar. Die Indikation für eine OP besteht, wenn folgende Probleme bestehen:
- Eine Abgrenzung zu bösartigen Tumoren ist nicht möglich.
- Es bestehen mechanische Probleme bei der Leberdurchblutung oder der Magen-Darm-Passage durch die Größe des Tumors.
- Es liegt eine infektiöse Erkrankung vor, die nicht kontrolliert werden kann bzw. die sich auf andere Organe im Körper ausbreiten kann.
Bei bösartigen Tumoren sind die Heilungschancen etwas geringer.
Die Leberfunktion ist durch kein anderes Verfahren länger als für 72 Stunden zu ersetzen. Dies bedeutet, dass die Entfernung eines bösartigen Tumors höchste Priorität besitzt, bevor dieser durch eingeschränkte Durchblutung oder Verlegung des Gallenabflusses zu einem Leberversagen führen kann.
In der Behandlung sind mehrere Fachrichtungen eingebunden (s. Behandlung). Nicht selten macht auch eine Kombination der Therapieverfahren Sinn, um bösartige Tumore zu beseitigen.
Grundsätzlich ist die Entfernung eines bösartigen Tumors – ob durch Operation oder alternative Techniken – allen medikamentösen oder Embolisationsverfahren überlegen. Daher sollte die Entfernung immer angestrebt werden.
Symptome
Leider treten bei Lebertumoren kaum Symptome auf und wenn, dann erst spät. In fortgeschrittenen Stadien sind eine Gelbfärbung des Augenweiß oder der Haut (sogenannter Ikterus) oder eine Bauchwasseransammlung Leitsymptome für das Vorliegen einer schwerwiegenden Leber- oder Gallenwegserkrankung.
Untersuchung und Diagnose
Um ein aussagekräftiges Gesamtbild zur Lebererkrankung zu erhalten, sind eine Reihe an Laborwerten erforderlich. Diese spiegeln die Entgiftungskapazität der Leber sowie die Produktion von wichtigen Eiweißstoffen für die Blutgerinnung und den Transport von Blutbestandteilen wider.
Zusätzlich sind Untersuchungen zur Klärung der Belastungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems und der Lungenfunktion unerlässlich.
Für die Diagnose sind bildgebende Verfahren wie die Computertomografie und die Magnetresonanztomografie zusätzlich zum Ultraschall mit Flussbestimmung in den Lebergefäßen erforderlich. In manchen Fällen kann auch eine Darstellung der Gallenwege über eine Spiegelung des Magens und Zwölffingerdarms erforderlich sein.
Mit diesen Verfahren kann abgeschätzt werden, wie groß der Anteil des Lebergewebes ist, der entfernt werden muss. Bei Bedarf kann dies auch genau errechnet werden (durch eine sogenannte Volumetrie). In der Zusammenschau von Laborergebnissen und Bildgebung kann dann simuliert werden, wie die Leberfunktion unter optimalen Bedingungen nach der Operation sein wird.
Behandlung
Bei bösartigen Lebertumoren ist das Ziel die komplette Entfernung. Die Weichenstellung zur Therapie erfolgt über die Diagnostik. Das Spektrum reicht von rein konservativer Therapie bis hin zu sehr komplexen, gelegentlich auch Leberoperationen in zwei Phasen. Kleine Tumore können auch mit Überhitzung (Radiofrequenzablation) oder mit Bestrahlung (Brachytherapie) behandelt werden. Manche Tumorarten können auch mit lokaler Embolisation in Kombination mit lokaler Chemotherapie oder lokaler nuklearmedizinischer Behandlung erfolgreich behandelt werden.
Sofern eine chirurgische Therapie allein nicht ausreicht oder auch nicht denkbar ist, muss eine individualisierte Strategie entwickelt werden. Hierzu ist auch die Kombination der verschiedenen Therapiemöglichkeiten sinnvoll, was mit dem Begriff „therapeutisches Splitting“ zusammengefasst wird.
Wenn eine Operation vorgenommen werden kann, gibt es zwei Wege: Die Entfernung von Leberzellen kann in einem Schritt oder in zwei Schritten (als „Associating Liver Partition and Portal Vein Ligation for Staged Hepatectomy, kurz ALPPS) vorgenommen werden. Diese Strategie dient zur Vergrößerung des verbleibenden gesunden Lebervolumens innerhalb von sieben bis zehn Tagen, um das Risiko eines zu kleinen Leberrests nach der Operation zu vermeiden. Alternativ können die Lebergefäße auf der erkrankten Seite durch eine radiologische Intervention verschlossen werden, um den gesunden Teil der Leber im Wachstum anzuregen. Ein Erfolg ist in diesem Fall erst nach vier bis sechs Wochen zu erwarten.
Wenn die Entfernung von Lebermetastasen bei anderen bösartigen Erkrankungen vorgenommen werden soll, ist zu unterscheiden, ob es sich um eine gleichzeitige oder eine später aufgetretene Metastasierung in mehreren Phasen handelt. In aller Regel ist das Operationsrisiko in diesem Fall geringer als bei primären Lebertumoren, da die Funktion der Leber in der Regel wenig beeinträchtigt ist und zugleich das Ausmaß der zu entfernenden Leberanteile geringer ist.
Bei gleichzeitigem Auftreten muss im Vorfeld entschieden werden, ob diese Entfernung vor oder nach der Entfernung des Primärtumors erfolgen sollte. Flankierend ist in aller Regel eine Chemotherapie sinnvoll. Die Leber hat die Eigenschaft nachzuwachsen. Dadurch könnten auch winzige Metastasen andernorts, die durch die Diagnostik nicht zu erfassen sind, nachwachsen. Durch eine Chemotherapie besteht eine Chance, diese vor der Operation abzutöten.
Rehabilitation und Nachsorge
Nach der Operation wird durch unser Team mit Hilfe des Fallmanagements und Sozialdienstes eine geeignete Einrichtung wie z. B. eine Reha-Klinik gesucht. In Absprache mit jeder Patient*in und den Angehörigen versuchen wir, das Optimum an Nachsorge für jeden ausfindig zu machen.
Lebensqualität nach der Operation
Durch die Operation bestehen nur selten langfristig unmittelbare körperliche Einschränkungen. Die Lebensqualität kann jedoch auch durch Nachbehandlungen eingeschränkt sein. Im Falle einer bösartigen Erkrankung muss eine engmaschige Nachsorge vorgenommen werden.
Weitere chirurgisch therapierbare Erkrankungen der Leber
Gutartige wie auch bösartige Lebertumore können ihren Ursprung in schichtbildenden oder bindegewebebildenden Zellen haben. Schichtbildende Zellen finden sich als Auskleidung von Blut-, Lymph- oder Gallegefäßen, aber auch im Bauch- oder Rippenfell.
Gutartige Lebertumoren werden häufig zufällig entdeckt und sind in der Regel asymptomatisch. Solange sie keine Beschwerden verursachen, bedürfen sie keiner chirurgischen Therapie. Zu diesen gehören die fokal noduläre Hyperplasie, Adenome, Hämangiome und Leberzysten.
Therapie
Führen jedoch die Größe des Tumors oder verdrängendes Wachstum zu Beschwerden, kann eine chirurgische Therapie nötig sein. Bei Komplikationen wie Blutungen oder eine Cholestase (Galleaufstau) sollte die chirurgische Therapie erwogen werden.
In diesen Fällen kann der Tumor bei gleichzeitigem Erhalt von einem möglichst großen Anteil an gesundem Lebergewebe entfernt werden.
Die Fokal Noduläre Hyperplasie ist von allen gutartigen Lebertumoren mit ca. 75 Prozent der häufigste. Sie findet sich in einem Verhältnis von 9:1 überwiegend bei Frauen im Alter von 20 – 50 Jahren. Die FNH entspricht feingeweblich einem hyperplastischen, regenerativen Knoten. Die Entwicklung der FNH steht mutmaßlich im Zusammenhang mit einer arteriellen Gefäßanomalie. Des Weiteren wird ein Zusammenhang mit der Einnahme oraler Verhütungsmittel diskutiert.
Der Nachweis einer FNH erfolgt häufig zufällig. Charakteristisches Merkmal ist eine sternförmige Narbe mit einem abnorm großen arteriellen Gefäß im Zentrum der Gewebeveränderung, welches in der CT oder MRT in aller Regel sehr gut diagnostiziert werden kann und die Abgrenzung gegenüber anderen Lebertumoren mit ca. 90-prozentiger Sicherheit erlaubt.
Therapie
Primär ist keine chirurgische Therapie notwendig. Eine Verlaufsbeurteilung sollte jedoch nach drei und sechs Monaten erfolgen, um die gleichbleibende Größe des Tumors zu bestätigen und die Diagnose zusätzlich abzusichern.
Adenome der Leber sind ebenfalls gutartige Lebertumoren, die sich in einer normalen Leber entwickeln können, aber selten unter bestimmten Bedingungen bösartig entarten und Blutungskomplikationen auslösen können. Daher sollten diese nach onkologischen Kriterien primär chirurgisch entfernt werden.
Diese Tumoren finden sich überwiegend bei jungen Frauen im Alter von 20 – 40 Jahren. Das Vorkommen ist bei der Einnahme von Verhütungsmitteln erhöht. Das Adenom ist ein einzelner Tumor, typischerweise im rechten Leberlappen. Auch die Einnahme von Anabolika bei Sportler*innen kann das Wachstum von Adenomen und ihre Entartung begünstigen. Feingeweblich zeigen Leberzelladenome oft Blutungs- und Nekrosezonen innerhalb des Tumors. Der Tumor besitzt in der Regel keine Kapsel aus Bindegewebe, so dass das Risiko einer akuten Blutung in die freie Bauchhöhle besteht.
Symptome können episodische Schmerzen in der Bauchregion zwischen Rippenbogen und Bauchnabel bzw. im rechten Oberbauch sein, die von Tumorgröße und Tumoreinblutung abhängig sein kann.
Therapie
Sofern mit Bildgebung wie auch durch eine Feinnadelbiopsie keine zweifelsfreie Diagnose möglich ist, sollte überdacht werden, ob eine komplette Entfernung möglicherweise das geringste Risiko und die unkomplizierteste Vorgehensweise zur Diagnosesicherung und gleichzeitiger Entfernung darstellt.
Allerdings ist dies nicht unter allen Umständen möglich. Sehr selten kann auch eine komplizierte Lage multipler Adenome (sog. Adenomatose der Leber) die Indikation zur Lebertransplantation darstellen.
Hepatische Hämangiome (Gefäßanomalien/Blutschwämme) zählen zu den häufigsten gutartigen Tumoren der Leber. Es wird geschätzt, dass etwa jeder achte Mensch ein Leberhämangiom hat.
Die Größe variiert, wobei die meisten Leberhämangiome deutlich <5 cm sind. Sie sind in der Regel asymptomatisch und werden daher häufig zufällig diagnostiziert.
Die Symptome sind uncharakteristisch, dementsprechend erfolgt die Diagnosestellung zufällig
Therapie
Bei asymptomatischen Hämangiomen <1,5 cm erfolgt keine Therapie. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen bei schnell wachsenden Hämangiomen >5 cm sind angezeigt.
Lassen sich andere Ursachen ausschließen, bei Schmerzen durch das Hämangiom, wird ein eingekapselter Bereich oder ein Teil der Leber entfernt.
Einfache Leberzysten sind in der Regel ohne Symptome (asymptomatisch), mit klarer Flüssigkeit gefüllte Zysten, die sich überwiegend im rechten Leberlappen finden. Sie besitzen keine Verbindung zu den Gallengängen. Die Größe variiert sehr stark und kann bis zu mehr als ein Liter betragen.
Therapie
Bei asymptomatischen oder multiplen Leberzysten sollte keine chirurgische Therapie erfolgen. Bei multiplen Leberzysten, die nicht komplett entfernt werden können, ist lediglich eine sehr kurze und geringfügige Linderung der Beschwerden erzielbar. Bei extremer Ausprägung und fehlender Möglichkeit einer ausreichenden Ernährung kann eine Lebertransplantation Erfolg bringen.
Bei Leberzysten > 4 cm kann eine laparoskopische Zystenentdeckelung erfolgen. Bis zu welcher Anzahl an Zysten diese Therapie sinnvoll ist, hängt von der technischen Realisierbakeit der Zystenentdeckelung ab. Es sollten keine relevanten Zysten verbleiben.
Bei Verdacht auf eine Entartung der Zysten (Zystadenom oder Zystadenokarzinom) sollte eine Leberresektion im Gesunden erfolgen.
Die Echinokokkose ist eine Infektion der Leber mit der Bandwurmspezies. Häufig sind hierbei der Hunde- (Echinococcus granulosus) und Fuchsbandwurm (Echinococcus multilocularis). Die Wurmeier werden beim Verzehr von ungewaschener Rohkost aus Bodennähe (z.B. Waldbeeren) aufgenommen. Danach können die Erreger über die Blutbahn in die Leber, Lunge oder andere Organe gelangen, wo sich die finnenhaltigen Zysten entwickeln. Der Hundebandwurm befällt in etwa 60 Prozent die Leber und in etwa 20 Prozent die Lunge, während der Fuchsbandwurm sich fast immer in der Leber (98 Prozent) befindet. Die Inkubationszeit kann Monate bis Jahre dauern. In der Leber entwickeln sich dann zystische Raumforderungen, welche die Wurmlarven enthalten.
Zusätzlich zu den bildgebenden Verfahren ist ein positives serologisches Untersuchungsergebnis aus dem Blut (Antikörpernachweis gegen die Erreger) Grundlage für die Diagnose.
Bei großen Zysten empfiehlt sich die Entfernung (Perizystektomie), unter begleitender antiparasitärer medikamentöser Behandlung mit Albendazol oder Mebendazol. Die antiparasitäre Behandlung sollte mindestens vier Tage vor dem Eingriff beginnen und danach für drei Monate bei kompletter Resektion beim Hundebandwurm und zwei Jahre bei Erkrankungen durch den Fuchsbandwurm fortgesetzt werden. Beim Fuchsbandwurm ist aufgrund seines infiltrativen Wachstums eine Resektion nach onkologischen Kriterien (wie bei bösartigen Tumoren) nötig.