Entscheidungskriterien für die Behandlung
Die optimale Behandlung von Patienten mit Hodenkrebs folgt heute internationalen Leitlinien. Die Einhaltung dieser Leitlinien verbessert die Überlebensrate deutlich. Zu Beginn einer jeden Behandlung steht jedoch immer die Diagnosesicherung durch eine Gewebeuntersuchung des betroffenen Hodens.
Operatives Vorgehen:
Solange der Verdacht auf einen Hodenkrebs besteht, muss immer eine operative Freilegung des Hodens von einem Leistenschnitt aus erfolgen, um Gewebe in einer Schnelluntersuchung durch den Pathologen untersuchen zu lassen. Bei Bestätigung der Verdachtsdiagnose muss (nahezu) immer der gesamte Hoden mit Nebenhoden am Samenstrang entfernt werden (die so genannte Orchiektomie), dieser Eingriff wird über einen Schnitt in der Leiste durchgeführt.
Nach Bestätigung einer bösartigen Erkrankung:
Es sind nun weitere Untersuchungen notwendig, in erster Linie eine Computertomographie (CT) der Lunge mit dem gesamten Brustkorb sowie des Bauchraums bis zum Becken, je nach Beschwerden auch noch eine Ganzkörperknochenuntersuchung (Knochenszintigraphie) und eine Computertomographie des Schädels. In ganz seltenen Fällen sind noch weitere Untersuchungsmethoden notwendig, um mögliche Absiedlungen im Körper (Metastasen) zu erkennen und zu behandeln.
Einteilung:
Feingewebliche Einteilung (Histologie):
Hodentumore gehen zumeist von den Keimzellen des Hodens aus. Je nach Differenzierungsgrad und Ursprung lassen sich diese Tumore feingeweblich (histologisch) unterscheiden:
- Seminom (etwa 65%): ausgehend von den Spermatozyten
- Nicht-Seminom (etwa 35%): meist ausgehend von unreifen Keimzellen, am häufigsten das embryonale Carcinom. Bei den Nicht-Seminomen handelt es sich oft um so genannte Mischtumoren, die verschiedene Zellarten aufweisen
Diese Unterteilung ist für die weitere Therapie von großer Bedeutung. Bei der feingeweblichen Untersuchung beurteilt der Pathologe die Gewebeart und die örtliche Ausdehnung des Tumors. Dabei wird z. B. darauf geachtet, ob der Tumor auf den Hoden begrenzt ist und ob eine Beteiligung von Blut- oder Lymphgefäßen vorliegt.
Neben den Keimzelltumoren gibt es noch weitere, sehr seltene Hodentumoren, die nicht vom Keimgewebe des Hodens (z. B. Leydig-Zelltumoren und Sertoli-Zelltumoren) ausgehen sowie Absiedlungen (Metastasen) von Tumoren die ihren Ursprung in anderen Organen haben. Im Folgenden wird stark vereinfachend und wegen der Häufigkeit nur von den Keimzelltumoren als „Hodentumoren“ gesprochen.
Tumorklassifikationen (TNM-Klassifikation):
Diese gilt für alle Hodentumore und gibt Aufschluss über die Ausdehnung der Erkrankung. Dabei gehen insbesondere auch die Befunde der bildgebenden Untersuchung mit ein, welche Aufschluss darüber geben, ob und wie weit der Tumor bereits Tochtergeschwülste (Metastasen) gebildet hat. Unterschieden wird hier ein rein örtliches Tumorwachstum von Lymphknotenabsiedlungen und Fern- oder Organmetastasen.
Tumorstadien (Lugano-Stadium):
Diese klinische Stadieneinteilung erfolgt ebenfalls aufgrund der Ergebnisse der bildgebenden Untersuchungen wie MRT, CT und Röntgenaufnahmen und unterscheidet die Hodentumoren anhand der Größe und Lokalisation der Tumorabsiedlungen (Metastasen).
Prognose-System (IGCCCG):
Bei der IGCCCG Hodentumoreinteilung werden nur fortgeschrittene Tumoren hinsichtlich ihrer Prognose betrachtet. Hierbei wird die Prognose in Abhängigkeit von der Gewebeart, der Höhe der Tumormarker, der Lokalisation der Metastasen und der Ausgangslokalisation, abgeschätzt. So fallen z. B. örtlich auf den Hoden begrenzte Tumoren mit niedrigen Tumormarkern, die eine Heilungswahrscheinlichkeit von ca. 98 % aufweisen nicht in diese Einteilung. Tumoren mit Metastasen (Absiedlungen) werden in die Gruppen “Good”, “Intermediate” und “Poor Prognosis” unterschieden. So genannte Tumoren in der „good prognosis“ Gruppe weisen bei Einhaltung aller Therapieleitlinien eine Heilungswahrscheinlichkeit von ca. 95% auf, ähnlich der rein örtlich auf den Hoden begrenzten Tumoren. Davon werden Tumoren mit einer mittleren („intermediate prognosis“) Heilungschance ca. 70 % von Tumoren mit schlechter Prognose („poor prognosis“) mit einer Heilungschance von immerhin noch ca. 50 % je nach Ausdehnung der Absiedlungen und Ergebnis der Blutuntersuchung (Serummarker) abgegrenzt.