Die Anästhesisten im Klinikum begleiten große und kleine Patienten durch die Narkose. Die Kinderanästhesie ist dabei etwas ganz Besonderes und erfordert von den Ärztinnen und Ärzten viel Können, Erfahrung und Feingefühl. Angst, nicht mehr aufzuwachen, braucht dabei niemand zu haben.

Anästhesie-Pfleger bringt mit einer Handpuppe ein Kind vor der OP zum Lachen Um Kindern die Angst vor der Narkose und der Operation zu nehmen, lenken Ärzte und Pflegekräfte der Kinderanästhesie und -chirurgie die Kleinen mit einer Handpuppe ab.

Du wirst gleich etwas ganz Tolles träumen. Lea lächelt die Frau mit dem Mundschutz vertrauensvoll an, bevor ihre Augen immer müder werden und sie in einen tiefen Schlaf fällt. Für die nächste Stunde ist das vierjährige Mädchen nun in Narkose. Bei ihr wurde ein Leistenbruch feststellt, der operiert werden muss. Die Frau mit dem Mundschutz ist PD Dr. Martina Nowak-Machen, Direktorin des Instituts für Anästhesie und Intensivmedizin im Klinikum Ingolstadt. Seit knapp einem Jahr leitet die erfahrene Ärztin den Fachbereich, der neben der Anästhesie (Narkose) auch die Intensiv- und Notfallmedizin sowie die Schmerztherapie und Palliativmedizin umfasst.

Zufrieden blickt Dr. Nowak-Machen auf den gleichmäßig piepsenden Monitor, der den Herzschlag, die Sauerstoffsättigung und die Hirnströme ihrer kleinen Patientin anzeigt. Die OP-Pflegekräfte lagern das Mädchen währenddessen auf eine Art Luftmatratze, die sich perfekt an die Form des kleinen Körpers anpasst und zusätzlich mit warmer Luft durchströmt wird. So kann Lea während der Operation nicht verrutschen und wird gleichzeitig angenehm gewärmt.
Nach rund 20 Minuten Vorbereitungszeit im Operationssaal informiert Dr. Nowak-Machen einen OP-Assistenten: „Lea schläft jetzt tief und fest. Wir können die Kinderchirurgen rufen.“ Zu den Anästhesisten kommen jetzt Dr. Micha Bahr, Direktor der Kinder- und Jugendchirurgie, und sein Team in den Operationssaal. Für die Kinderchirurgen ist ein Leistenbruch ein Routineeingriff. Doch auch schwere Eingriffe, zum Beispiel angeborene Fehlbildungen bei Babys, erledigen die Ingolstädter mit hoher Fachkompetenz und viel Erfahrung.

Sicherheit an erster Stelle

„Operationen und Narkosen bei Babys und Kindern sind immer etwas besonderes“, so Dr. Nowak-Machen. Nicht nur die kleinen Patienten sind vor einem Eingriff sehr aufgeregt, sondern insbesondere deren Eltern. „Da braucht es zur Beruhigung viel Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen.“ Vor jedem Eingriff findet daher ein ausführliches Aufklärungsgespräch statt. Je älter die Kinder dabei sind, desto enger werden sie in die Vorbereitung einbezogen. Lea haben die Anästhesisten vorab das „Zauberpflaster“ erklärt, das dafür sorgt, dass der Einstich einer Nadel überhaupt nicht weh tut. Die Innenseite des Pflasters ist mit einem leichten Betäubungsmittel versetzt, so dass die Kinder beim Legen des Venenzugangs keine Schmerzen haben. Auch wurde die „Astronautenmaske für den Flug ins Weltall“, die zur Narkoseeinleitung den Sauerstoff liefert, genauestens von Lea inspiziert.

Die größte und häufigste Sorge der Eltern ist, ob ihr Kind von der Narkose Entwicklungsstörungen davontragen kann. „Die Frage nach einem langfristigen Schaden durch eine Narkose ist die am häufigsten gestellte“, bestätigt Dr. Nowak-Machen, die selbst Mutter von zwei Söhnen ist. Sie kann die Sorgen und Ängste gut nachvollziehen. Es gibt jedoch keine eindeutigen wissenschaftlichen Beweise dafür, dass eine Narkose im Neugeborenen-, Säuglings- oder Kleinkindalter die Ursache für eine spätere Entwicklungsstörung ist. Bei Kindern, die eine Beeinträchtigung im Laufe ihres Heranwachsens aufweisen, kann nicht gesichert nachgewiesen werden, dass diese allein durch das Narkosemittel verursacht wurde oder Folge der eigentlichen Erkrankung ist. „Eine Narkose ist ja niemals Selbstzweck, sondern notwendig, um die Kinder durch Operationen zu heilen. Keine Narkose zu geben, ist keine Alternative,“ betont die Ärztin.

Vollnarkosen, wie bei Lea, werden jedoch nur eingesetzt, wenn der Eingriff nicht mittels einer lokalen Betäubung oder einer sogenannten Teilbetäubung oder Regionalanästhesie durchgeführt werden kann. Inzwischen kann bei einigen Operationen sogar ganz auf eine Vollnarkose verzichtet werden, indem eine gezielte Regionalanästhesie verwendet wird, was besonders bei den kleinsten Frühchen wichtig ist. Die Anästhesisten sorgen dafür, dass jede Narkose so sicher und schonend wie möglich ist. „Für uns steht die Sicherheit unserer Patienten, egal welchen Alters, an oberster Stelle,“ betont die Chefärztin: „Dazu zählt, dass wir während der Operation die Körperfunktionen ununterbrochen kontrollieren und bei Bedarf eingreifen, dass unser Team aus Ärzten und Pflegern speziell qualifiziert und sehr erfahren ist und, dass unser Narkosearbeitsplatz auch technisch nach neuesten Standards optimal ausgestattet ist.“

Alles besonders

Vitalwerte auf einem Überwachungsbildschirm im OP Der Narkosearzt ist während einer OP immer an der Seite des Patienten. Ein Monitor zeigt ihm permanent die Vitalfunktionen an.

Prüfend blickt die erfahrene Anästhesistin auf die Monitore, die die Vitalwerte von Lea anzeigen. Alles im grünen Bereich. Noch ein routinierter Check des leuchtenden Klipps am kleinen Zeigefinger des Mädchens und Dr. Nowak-Machen weiß, dass auch die Sauerstoffsättigung des Blutes korrekt auf den Bildschirm übertragen wird. Ab und an schlägt die Aufzeichnung der Hirnströme aus. „Jetzt träumt Lea gerade“, erklärt die 45-Jährige schmunzelnd. Dr. Nowak-Machen ist mit Leib und Seele Anästhesistin. Bevor sie ans Klinikum Ingolstadt wechselte, machte sie ihre Ausbildung u.a. am Boston Children’s Hospital in den USA und war zuletzt am Universitätsklinikum in Tübingen auch in der Kinderanästhesie tätig. Die Ausbildung zum Facharzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin dauert im Anschluss an das Medizinstudium noch rund fünf Jahre. Während dieser Zeit müssen die Mediziner mindestens 50 Kinder unter Aufsicht behandeln. Danach braucht es noch viele Jahre, bevor die Ärzte eigenverantwortlich eine Operation von Kleinkindern betreuen dürfen.

Im Klinikum Ingolstadt nimmt das erfahrene Team um die Chefärztin regelmäßig an Fortbildungen und Auffrischungskursen teil. „Die Kinderanästhesie ist eine Besonderheit“, bestätigt Dr. Nowak-Machen und „steht und fällt mit dem Bewusstsein für Sicherheit und langjähriger Erfahrung und Routine“. Im Gegensatz zu Erwachsenen reagieren Kinder viel schneller und empfindlicher auf Narkosemittel. Auch die Instrumente wie Beatmungsschläuche und -masken oder Nadeln und Kanülen sind viel kleiner. „Bei einem Kinderkörper müssen wir noch vorsichtiger und genauer sein, als wir es bei erwachsenen Patienten ohnehin sind,“ sagt die Medizinerin. „Jeder Patient erhält eine ganz individuelle Medikation. Diese ist abhängig vom Gewicht des Patienten, aber auch vom Alter und von Vorerkrankungen und familiärer Disposition. Junge Patienten bauen eine Narkose beispielsweise viel schneller ab als ein 80-Jähriger“, erklärt die Ärztin. „Auch führen wir regelmäßig Trockenübungen im Team durch, die uns für den Notfall auch bei den Kleinsten bestens vorbereiten“.

Immer an der Seite

Kinderchirurg Dr. Micha Bahr hat den Bruch behoben und vernäht die kleine Wunde von Lea mit mehreren Stichen sorgfältig. „Dank des minimalinvasiven Eingriffs wird nur eine kleine Narbe zurückbleiben“, versichert Dr. Bahr. Dann klebt er ein großes, dickes Pflaster auf die Wunde und gibt dem Operationsteam ein Zeichen, dass der Eingriff erfolgreich beendet ist. Während die Chirurgen den Saal verlassen, räumen die Operationsassistenzen die Instrumente und Bestecke auf. Dr. Nowak-Machen konzentriert sich währenddessen voll auf ihre Patientin. Denn während der Aufwachphase sind die Anästhesisten wieder voll gefragt. Schritt für Schritt reduziert die Ärztin das Narkosemittel, das Lea während der Operation kontinuierlich über die Vene zugeführt wurde. Über den Beatmungsschlauch erhält Lea ab sofort nur noch reinen Sauerstoff und die selbstständige Atmung der kleinen Patientin setzt wieder ein.

Nach einigen weiteren Minuten kommen die Lebensgeister zurück. Nachdem sich Dr. Nowak-Machen versichert hat, dass die Atmung von Lea wieder regelmäßig und kräftig ist und die Reflexe funktionieren, wird der Beatmungsschlauch sanft entfernt und Lea erwacht sofort aus der Narkose. Eine Fachpflegekraft schiebt das Bett mit der kleinen Patientin in den Aufwachraum. Dort dürfen die Eltern wieder zu ihrem Kind. Die Überwachungsphase im Kinderaufwachraum dauert je nach Eingriff und Patient zwischen 30 Minuten und einer Stunde und wird von speziell ausgebildeten Pflegekräften und Ärzten betreut. Ist der Patient stabil, darf er zurück auf sein Stationszimmer. Als Dr. Nowak-Machen die Vitalwerte des Mädchens vor Verlegung auf das Stationszimmer ein letztes Mal überprüft, flüstert Lea noch ein bisschen schläfrig: „Frau Doktor, ich habe etwas ganz Schönes geträumt.“

Ihre Expertin

Priv.-Doz. Dr. Martina Nowak-Machen, Direktorin des Instituts für Anästhesie und Intensivmedizin im Klinikum Ingolstadt Priv.-Doz. Dr. Martina Nowak-Machen, Direktorin der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin

Kontakt

Sekretariat der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin
Doris Aubele
0841 880 – 2351
doris.aubele@klinikum-ingolstadt.de

 

Veröffentlicht: 24. April 2019 | Aktualisiert: 14. November 2024 | Kategorien: Allgemein |
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