Dr. Mailin Borsche, Assistenzärztin im Klinikum, operiert weltweit Menschen ohne Zugang zu medizinischer Hilfe
Dr. Mailin Borsche mit einem ihrer kleinen Patienten in Peru
Die Urlaubzeit ist für die meisten Menschen Zeit, um zu entspannen und einmal ganz vom beruflichen Alltag abzuschalten. Nicht so für Dr. Mailin Borsche. Die Assistenzärztin in der Sektion für Hand- und plastische Chirurgie verbringt einen Teil ihrer freien Tage damit, den Ärmsten der Armen in Indien, Südamerika oder Afrika zu helfen. Dafür ist die junge Chirurgin mit dem gemeinnützigen Verein Interplast Germany unterwegs.
Die internationale Hilfsorganisation setzt sich weltweit für Menschen ein, die nicht genug Geld für plastisch-chirurgische Operationen aufbringen können. Schwerpunktmäßig versorgen die Behandlungsteams von Interplast Kinder und Erwachsene mit schweren Gesichtsfehlbildungen, Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten, Handfehlbildungen, Verbrennungsnarben, Hauttumoren sowie Verstümmelungen durch Unfälle oder Kriegsfolgen. „Ich war bereits zwei Mal in Brasilien, in Peru und zuletzt drei Mal in Indien“, erzählt Dr. Borsche.
Chirurgin aus Leidenschaft
Seit zwei Jahren arbeitet Dr. Borsche im Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie in der Sektion für Hand- und plastische Chirurgie. „Die plastische und rekonstruktive Chirurgie hat mich sehr früh fasziniert. Denn ohne viel zusätzliches Material kann man mit dieser Fachrichtung Menschen sehr schnell helfen“, weiß Dr. Borsche. Für das Klinikum Ingolstadt hat sie sich ganz bewusst entschieden. „Die Sektion unter Leitung von Dr. Günter Schmidt bietet mir die Chance von Beginn an sehr viele Aufgaben eigenständig zu übernehmen und in einem tollen Team enorm viel zu lernen“, so die Assistenzärztin. Dieses Wissen setzt sie in ihrer Freizeit für Menschen ein, die sich sonst keine medizinische Hilfe leisten könnten.
Mit dem rein ehrenamtlich betriebenen Hilfsverein verbindet Dr. Borsche seit Kindertagen eine besondere Beziehung. Ihr Vater hat Interplast vor rund 30 Jahren in Deutschland aufgebaut und auch die Mutter, ebenfalls Ärztin, engagiert sich stark. „Während meine Eltern auf einem Interplasteinsatz unterwegs waren, haben auf uns Kinder die Großeltern aufgepasst oder wir haben für zwei Wochen bei Freunden übernachtet. Manchmal war es natürlich nicht so schön, dass die Eltern nicht da waren. Aber ich wusste ja, dass sie Menschen helfen“, blickt die Ärztin zurück und weiß heute: „Durch unseren Einsatz können wir das Leben der Menschen dort verändern. Patienten beispielsweise deren Kinn durch schwere Verbrennungskontrakturen mit dem Thorax zusammengewachsen ist, können nach einer, manchmal auch mehreren Operationen den Kopf wieder heben und ein normales Leben ohne Einschränkungen führen“, freut sich Dr. Borsche über sichtbare Erfolge.
Die Korrektur einer Handfehlbildung hilft dem indischen Jungen ein Leben ohne Einschränkungen zu führen.
Eine andere Welt
„Die medizinische Versorgung in manchen Regionen der Welt ist für uns in Deutschland kaum vorstellbar“, weiß die Chirurgin. Die Menschen laufen viele Kilometer, um sich vom Ärzteteam aus Deutschland kostenlos behandeln zu lassen. Sie leiden unter angeborenen oder erworbenen Fehlbildungen, Verletzungen oder Verbrennungen. „Wenn wir vor Ort sind, bilden sich lange Schlangen vor unserem Lager“, berichtet die junge Ärztin. „Um die Menschen zu informieren, dass und wann wir kommen, fährt zum Beispiel der Pfarrer durch die Dörfer und verteilt Flugblätter. Diese beschreiben mit Hilfe von Bildern, welche Krankheitsbilder wir behandeln.“ Die Kommunikation mit den Patientinnen und Patienten besteht überwiegend aus Bildern und Zeichensprache. „Das funktioniert ganz gut“, lacht Dr. Borsche.
Kooperationen als Voraussetzung
Das Behandlungsteam besteht aus je einem OP- sowie Anästhesie-Pfleger, zwei Anästhesisten, zwei Operateuren und einer Assistenz. Sie alle sind erfahrene Fachkräfte. Zwei Wochen sind die Helfer vor Ort und führen unzählige Untersuchungen
und Eingriffe durch. „Bevor es in den OP geht, muss sich jeder Patient in der Sprechstunde vorstellen. Hier klären wir das Krankheitsbild sowie die nachfolgende Behandlung ab. Um die Patienten zu erfassen, fotografieren wir sie. Denn verständigen können wir uns mit den Wenigsten“, erklärt die Ärztin. In Indien besteht eine enge Kooperation mit Klosterschwestern, die ein Krankenhaus in einer Armenregion betreiben. „Die Schwestern sortieren die schweren Fälle bereits vor und schicken uns Informationen dazu. Diese Vorbereitung ist enorm wichtig. “
In Indien können die Helfer aus Deutschland auf das Krankenhaus der Nonnen zurückgreifen. Hier hat die Hilfsorganisation mit Spenden in den vergangenen Jahren einen Operationssaal ausgebaut sowie einen Sterilisationsraum eingerichtet. „Das Krankenhaus wäre voll einsatzfähig. Nur findet sich kein Arzt, der in der Armenregion arbeiten möchte. Daher betreuen die Nonnen während des Jahres hauptsächlich Geburten. Chirurgische Eingriffe finden nur statt, wenn wir da sind“, berichtet Dr. Borsche. Medizinische Qualität im Fokus Das Behandlungsteam bringt alle OP-Instrumente und Materialien aus Deutschland mit in die Länder. „Wir haben bis zu 17 Koffer dabei. Das ist oftmals eine logistische Herausforderung, vor allem die Abstimmung mit den Fluggesellschaften wegen des Übergepäcks ist sehr umfangreich. Das ist allerdings notwendig, denn wir können uns nicht darauf verlassen, dass die Dinge vor Ort den Hygienestandards für OPs entsprechen“, erklärt Dr. Borsche.
Dr. Mailin Borsche zusammen mit dem Team von Interplast Germany in Indien.
Der Aufwand lohnt sich. Das OP-Team darf sich über wenige Wundinfektionen freuen. „Ja, es passiert überraschend wenig, wenn man sich die hygienischen Bedingungen der Patienten vor Augen hält“, freut sich die Medizinerin. Das mag auch daran liegen, dass das Interplastteam größere Eingriffe gleich zu Beginn ihres Einsatzes durchführt, um so lange wie möglich die Nachbehandlung zu übernehmen. Aber auch weil das Team die Patienten informiert und schult, wie sie sich nach der Operation richtig verhalten müssen. Am einzigen freien Tag während des zweiwöchigen Einsatzes, besucht das Team die Dorfbewohner und klärt über Präventionsmaßnahmen auf.
„Ansonsten stehen wir während der zwei Wochen von morgens bis abends im OP. Ich bin immer wieder überrascht, wie leistungsfähig das ganze Team bei den Einsätzen ist. Das liegt auch und vor allem an der guten Stimmung und dem Ziel, möglichst vielen Patienten zu helfen“, erzählt Dr. Borsche. Und der Einsatz lohnt sich. Die Operationen verändern das Leben der Menschen. Ihre Freude und ihre Dankbarkeit für die Hilfe der Ärzte und Pflegekräfte sind Motivation genug, um auch im kommenden Jahr wieder zahlreiche Urlaubstage für die ärmsten der Armen der Welt einzusetzen. Davon ist Dr. Mailin Borsche überzeugt.