Leistenbruch (Hernie)
Das Wort “Hernie” leitet sich vom Griechischen für “Knospe” ab. In der Medizin versteht man unter einer Hernie, dass Darm und Bauchfell durch eine Muskellücke austreten, die angeboren oder durch einen Riss bzw. Bruch entstanden ist. Am bekanntesten und am häufigsten ist der Leistenbruch, der auch als Leistenhernie und aus dem englischen Sprachgebrauch heraus auch als Inguinalhernie bezeichnet wird. Daneben existieren Schenkelhernie, Nabelschnurbruch und Nabelbruch als weitere Diagnosen.
Anatomie
Im Bereich der Leiste existieren mehrere anatomische Schwachstellen oder auch Bruchpforten, an denen Strukturen (wie Nerven und Gefäße, beim Mann zusätzlich die Samenstränge) vom Inneren der Bauchhöhle an die Körperoberfläche oder auch in die Extremitäten gelangen. Die Durchtrittsstellen sind natürlich existierende Lücken im Geflecht aus Knochen, Sehnen und Muskulatur. Die bekannteste Lücke ist der Leistenkanal beim Mann, durch den der Samenstrang und die Begleitstrukturen ziehen, und die Femorallücke, an der die Blutgefäße für das Bein aus dem Bauchraum in das Bein ziehen, die bei Frauen häufiger von einer Hernie betroffen sind.
Ursachen und Risikofaktoren
In Deutschland treten pro Jahr 250.000 Leistenbrüche neu auf – zu 90 Prozent sind Männer davon betroffen, mit zehn Prozent nur zu einem kleinen Teil Frauen. Mindestens jeder vierte Mann leidet im Lauf seines Lebens unter einem Leistenbruch. Auch im Klinikum Ingolstadt stellt die Versorgung von Leistenbrüchen den häufigsten Eingriff in der Chirurgie dar.
Am häufigsten ist der angeborene Leistenbruch. Zur erworbenen Leistenhernie kann es kommen, wenn das Bindegewebe im Bereich der Leisten zu schwach ist. Bei einem Unfall, bei chronischem Husten oder starkem Pressen wölbt sich dann das Bauchfell sackartig aus.
Ein eingeklemmter Leistenbruch ist ein Bruch, in dem sich Strukturen der Bauchhöhle (z.B. der Darm) in der Bruchlücke verfangen und von alleine nicht mehr zurückgelangen. Gelingt es nicht, rasch den Bruch durch gezielten Druck zurückzudrängen (in der Fachsprache „zu reponieren“), besteht zum Beispiel das Risiko für einen Darmverschluss. Ein Absterben des im Bruchsack eingeklemmten Organabschnitts mit den Folgen einer Bauchfellentzündung und Blutvergiftung kann Lebensgefahr bedeuten und erfordert eine sofortige Operation.
Symptome
Ein Leistenbruch geht in der Regel mit einer Schwellung und Schmerzen an den Rändern der Bruchlücke einher, weil das sehr empfindliche Bauchfell in die Bruchlücke verschoben wird. In der Regel bestehen Schmerzen, die zwar tolerabel, aber unangenehm sind. Ein typisches Zeichen ist auch, dass die Schmerzen nicht unentwegt bestehen, aber immer wieder an der gleichen ungewöhnlichen Position auftreten. Wenn die Schmerzen plötzlich einen sehr massiven Umfang einnehmen, muss eine Einklemmung befürchtet und durch eine ärztliche Untersuchung zwingend ausgeschlossen werden.
Untersuchung und Diagnose
Die Diagnose erfolgt in aller erster Linie durch die klinische Untersuchung. Zur Kontrolle sollte der Befund zusätzlich mit einer Untersuchung mittels Ultraschall untermauert werden. Sollten Zweifel an der Diagnose bestehen bleiben, ist eine Magnetresonanztomografie (MRT) der betreffenden Region die Untersuchungstechnik der Wahl. In seltenen Fällen bleiben die Beschwerden selbst unter Anwendung aller Techniken unklar. Dann kann möglicherweise eine diagnostische Bauchhöhlenspiegelung die einzige Technik sein, mit der die Diagnostik noch fortgesetzt werden kann. Unter Umständen ist auch damit keine eindeutige Diagnosestellung möglich.
Behandlung
Ein Leistenbruch muss und kann in aller Regel operiert werden. Bei kleinen, einseitigen und erstmaligen Brüchen verstärkt die Ärzt*in die Bauchwand, indem sie die Muskelschichten überlappend vernäht. Der Faden ist sehr reißfest und löst sich im Körper nicht auf. Dieses spezielle Nahtverfahren wird nach einem amerikanischen Chirurg als Shouldice-Methode bezeichnet.
Bei größeren Brüchen vernäht die Ärzt*in die Bruchpforte und verstärkt die Bauchmuskulatur mit einem speziellen Kunststoffnetz. Bei dieser Lichtenstein-Methode ist ein sechs bis sieben cm langer Hautschnitt in der Leistenregion notwendig. Bei der minimal-invasiven OP-Methode (Schlüsselloch-Technik) braucht die Chirurg*in drei kleine Schnitte. Über eine etwa einen Zentimeter lange Öffnung führt diese das Kunststoffnetz ein, die anderen beiden Öffnungen sind für feinste OP-Instrumente.
Folgende Varianten haben sich bewährt:
Ohne Naht und Clips: Die Ärzt*in führt eine Mini-Kamera in den Bauchraum, um das Operationsgebiet über ein Video-System beobachten zu können. Mit Spezialinstrumenten schiebt sie das Kunststoffnetz zwischen Bauchfell und Muskulatur, wo es ohne weitere Nähte oder Clips in das umgebende Gewebe einheilt (TAPP-Technik). Sollten Bedenken hinsichtlich der festen Position bestehen, kann das Netz mit speziellem Kleber fixiert werden. Die Bauchfelleröffnung wird schließlich innen unter Sichtkontrolle mit einem auflösbaren Faden vernäht.
Bauchwandbruch
Bauchwandbrüche sind im Mechanismus mit den Leistenbrüchen vergleichbar, nur dass sie in der Bauchwand liegen. Brüche an der Bauchwand, die über natürliche Lücken auftreten, sind jedoch viel seltener. Hier kann der Nabel oder die Mittellinie der Bauchdecke betroffen sein. Die fragilste Schwachstelle an der Bauchwand entsteht jedoch durch Operationen selbst. Das vernähte Gewebe der Bauchwand nach Bauchoperationen erlangt niemals die Stabilität, wie sie die natürliche Bauchdecke von Geburt an besitzt.
Auch für die Bauchwandhernien verwenden wir das besagte Netz. Hierbei kommen jedoch größere Netze zum Einsatz, die je nach individuellem Bedarf konfektioniert werden (Verkleinerung oder auch Verwendung von zwei aneinander genähten Netzen). Wichtig ist, dass dann immer eine ausreichende Gewebeüberlappung für die Netzverankerung vorliegt.
Rehabilitation und Nachsorge
Nach der Operation sollten Sie sich in der Regel ein bis zwei Wochen schonen, wobei dies von der Stärke der Beschwerden abhängt. Danach können Sie anfangen, sich wieder zu belasten. Für die volle Leistungsfähigkeit ist mit einem Heilungsprozess von drei bis sechs Wochen zu rechnen. Wenn Sie weitere Fragen haben, wenden Sie sich bitte an Ihre Ärzt*in.