Therapie metastasierter und fortgeschrittener Nierenzellkarzinome
Bei der Therapie metastasierter Nierenzellkarzinome steht die medikamentöse Behandlung im Vordergrund. Während bis 2006 nahezu ausschließlich die Immun- und Immunchemotherapie eingesetzt wurden, sind seither durch Zulassung verschiedenartiger neuer Substanzen individuellere Möglichkeiten gegeben. Es können also die jeweils vorliegenden Risiken in die Therapieplanung einbezogen werden.
Bei Nierentumoren, die die Niere verlassen haben und Absiedlungen in Lymphknoten oder anderen Organen (z. B. der Lunge) gesetzt haben, besteht in aller Regel keine Möglichkeit mehr, eine Heilung zu erzielen. Liegen bereits bei Diagnosestellung Tumorabsiedlungen außerhalb der Niere vor, kann jedoch die Entfernung der betroffenen Niere (palliative Tumornephrektomie) einen lebensverlängernden Effekt haben. Liegen nur einzelne Absiedlungen, z. B. in der Lunge oder im Knochen vor, sollte immer auch die Möglichkeit einer operativen Entfernung oder Bestrahlung überprüft werden. Lassen sich einzelne Metastasen chirurgisch entfernen oder durch eine Bestrahlung gut behandeln, ist dieser Weg einer medikamentösen Therapie vorzuziehen.
Bis zum Jahr 2006 standen als einzige effektive systemische Therapieformen die Immun- und die Immunchemotherapie zur Verfügung. Daneben waren auch zahlreiche unterstützende Möglichkeiten gegeben, so z. B. die Strahlentherapie bei schmerzhaften Knochenmetastasen oder bei der Gefahr des Knochenbruchs durch den Tumor.
Bei der Immun- bzw. Immunchemotherapie werden die Medikamente Interleukin-2 (IL-2) und/ oder Interferon-Alpha (IFN-alpha-2a) in Verbindung mit 5-Fluorouracil (einem Chemotherapeutikum) verabreicht.
Seit 2006 wurde die Immunchemotherapie zunehmend durch neue Substanzen verdrängt und wird derzeit kaum noch eingesetzt. Bei den neuen Substanzen sind vier verschiedene Gruppen verfügbar, die auf unterschiedlichen Ebenen das Tumorwachstum beeinflußen sollen. Aufgrund der Zulassung stehen derzeit für die Erstlinienbehandlung die Medikamente Avastin® in Kombination mit Interferon, Sutent® sowie Votrient® und für Patienten mit schlechterem Allgemeinbefinden Torisel® zur Verfügung. Patienten, die bereits wegen eines Nierenkrebses mit einem Medikament vorbehandelt wurden, können von der Behandlung mit Nexavar®, Inlyta®, Afinitor® oder Opdivo® profitieren.
Die Substanzgruppen:
- monoklonale Antikörper: Avastin®
- Tyrosinkinase-Inhibitoren: Sutent®, Nexavar®, Votrient®, Inlyta®
- mTOR-Inhibitoren: Torisel®, Afinitor®
- Checkpoint-Inhibitoren: Opdivo®
Sutent® (Sunitinib) beispielsweise hemmt mehrere Rezeptoren von Tyrosinkinasen, die für Wachstum und Blutgefäßbildung des Tumors wichtig sind. Das Medikament wird daher oft auch als Multikinaseinhibitor bezeichnet. Sorafenib (Nexavar®), Votrient®, Inlyta® haben einen ähnlichen Wirkmechanismus. Alle Medikamente führen häufig zu einer Stabilisierung der Erkrankung, teilweise auch mit einer Rückbildung der Absiedlungen verbunden. Im Unterschied zu den Immunchemotherapeutika werden mit den neuen Substanzen – die oft auch als TKI, small molecule drugs oder smart drugs bezeichnet werden – höhere Ansprechraten erzielt.
Seit 2007 steht eine weitere Substanz Temsirolimus (Torisel®) als Erstlinientherapie bei Nierenzellkarzinomen mit ungünstigen Prognoseeigenschaften zur Verfügung. Unter ungünstigen Prognoseeigenschaften versteht man dabei z. B. Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung und deutlich eingeschränktem Allgemeinbefinden. Temsirolimus ist ein Medikament aus der Gruppe der mTOR-Hemmer, das zur Behandlung fortgeschrittener Nierenzellkarzinome eingesetzt wird. Temsirolimus hemmt das Protein mTOR, das in die Regulation des Zellwachstums und die Neubildung von Blutgefäßen eingebunden ist. Dadurch, dass Temsirolimus die Gefäßneubildung im Tumor unterdrückt, wird dessen Gewebe weniger durchblutet. Der Tumor kann nicht weiter wachsen. Temsirolimus verlängert das Überleben gegenüber der alleinigen Behandlung mit Interferon deutlich. Ein weiteres Medikament aus der Gruppe der mTOR-Inhibitoren wurde 2009 zugelassen. Everolimus (Afinitor®) ist nach Vorbehandlung mit einem Tyrosinkinaseinhibitor (TKI) zur Behandlung fortgeschrittener Nierenkrebserkrankungen angezeigt. Während Torisel® als Kurzinfusion verabreicht wird, kann Afinitor® als Tablette eingenommen werden.
Ebenfalls seit 2009 steht mit Bevacizumab (Avastin®) als sogenannter monoklonaler Antikörper in Verbindung mit der Gabe von Interferon-alpha- 2a eine weitere Möglichkeit in der Erstlinienbehandlung des metastasierten Nierenzellkarzinoms zur Verfügung.
Vorteil aller neuer Behandlungen für den Patienten ist die Krankheitsstabilisierung und das Verhindern des Auftretens von neuen Metastasen. Durch die Zulassung neuer Medikamente ist nun die Möglichkeit gegeben, den Tumor mit verschiedenen Substanzklassen, also auf verschiedenen Wegen zu bekämpfen. So steht beim Versagen des einen Medikaments immer noch ein anderes weiteres Medikament mit anderem Wirkprofil als effektive Behandlung zur Verfügung. Diese als Sequenztherapie bezeichnete, aufeinander folgende Behandlung mit verschiedenen Substanzen, kann bei ausgewählten Patienten die Überlebenszeit günstig beeinflussen.
Seit 2016 ist Nivolumab (Opdivo®) als neue Substanzklasse zur Therapie des Nierenzellkarzinoms zugelassen. Nivolumab stellt ein neues Immunonkologisches Konzept dar, das über die Stärkung der Körperabwehr wirkt. Auch hier ist die Zulassung derzeit bei Vorbehandlung des metastasierten Nierenzellkarzinoms gegeben.
Prognose
Das Nierenzellkarzinom ist eine schwere und lebensbedrohliche Krankheit. Die Heilungschancen sind von der Größe und der Ausbreitung des Tumors abhängig. Bei Patienten mit kleinen Tumoren ohne Metastasen beträgt die Fünf-Jahres-Überlebensrate bis zu 80 Prozent.
Die Prognose ist stark vom Tumorstadium (also von der Tumorausdehnung) abhängig:
- lokal begrenzt (T1 – T2, N0, M0): 70 – 80 %
- lokal fortgeschritten (T3, N0 – N2, M0): 20 – 60 %
- Fernmetastasen (alle T, alle N, M1): <10 %