Müde und abgespannt wegen der Zeitumstellung?
23. Oktober 2020
Am Sonntag, 25. Oktober, werden die Uhren wieder um eine Stunde zurückgestellt. Viele Menschen werden dann wieder von Schlafproblemen, Müdigkeit und Konzentrationsstörungen geplagt. Doch warum ist das so? Der ärztliche und der technische Leiter des Schlaflabors im Klinikum Ingolstadt, Dr. Marcel Zeising und Dr. Christian Thiedemann, erklären, wie die Zeitverschiebung auf unseren Körper wirkt:
Die innere Uhr bestimmt den Biorhythmus
Wenn es um die Zeitumstellung geht, dann kommt automatisch auch dieser Begriff vor: die sogenannte innere Uhr. Sie, so heißt es dann oft, sei durch die Umstellung aus dem Takt geraten. „Hinter dem Begriff innere Uhr verbirgt sich ein sehr komplexes, inneres System, das primär in einem spezifischen Hirnareal namens Suprachiasmatischer Kern – auch Master-Clock genannt − lokalisiert ist“, erklärt Dr. Marcel Zeising. „Diese innere Uhr ist dafür verantwortlich, dass physiologische Abläufe der verschiedenen Organe zeitlich koordiniert ablaufen.“
Darunter falle z.B. die Ausschüttung von Hormonen zu einer gewissen Tages- oder Nachtzeit, Regelung der Körpertemperatur oder auch die Abfolge von Schlaf-/Wachphasen. Die innere Uhr bestimmt also den biologischen oder auch zirkadianen Rhythmus des Menschen. Zirkadian bedeutet hierbei, dass physiologische Abläufe mit einem Abstand von zirka 24 Stunden wiederkehren, also, dass beispielsweise bestimmte Hormone in einem 24-Stunden-Rhythmus ausgeschüttet werden.
Licht als wichtigster Taktgeber
Eines dieser Hormone ist das sogenannte „Schlafhormon“ Melatonin. Dieses wird durch Lichteinstrahlung gehemmt bzw. blockiert. Sobald die Lichtintensität einen gewissen Wert unterschreitet (also während der Dämmerung und besonders in der Nacht), wird Melatonin verstärkt ausgeschüttet und sagt dann dem Körper, dass es draußen dunkel ist und es langsam an der Zeit ist zu schlafen ̶ wir werden also langsam müde.
„Licht ist unser wichtigster Taktgeber“, sagt Dr. Christian Thiedemann. Eine Stunde Zeitumstellung hört sich zwar verhältnismäßig wenig an, aber wenn sich die Lichtverhältnisse vom einen auf den anderen Tag ändern, es also eine Stunde früher hell und dafür eine Stunde früher dunkel wird, dann bringt dies den momentanen biologischen Rhythmus durcheinander. Die Folgen können Schlafstörungen und dadurch bedingte Tagesmüdigkeit sowie Konzentrationsstörungen sein.
Kinder, Senioren und Schichtarbeiter sind am stärksten betroffen
Insbesondere Kleinkinder, Senioren oder auch Schichtarbeiter bzw. Nachtarbeiter spüren die Auswirkungen der Zeitumstellung häufig am stärksten. Gerade Kinder haben einen sehr stabilen biologischen Rhythmus und noch keinen richtigen Bezug zur Uhrzeit. „Sie werden also zum gleichen Zeitpunkt wie vor der Zeitumstellung wach. Mit fortschreitendem Alter wird der Schlaf grundsätzlich leichter und somit störanfälliger gegenüber externen Faktoren, etwa den veränderten Lichtverhältnissen zu einer gewissen Uhrzeit“, sagt Dr. Thiedemann. Für Schichtarbeiter könne es durchaus eine Rolle spielen, ob sie morgens um 5 oder um 4 Uhr und den veränderten Gegebenheiten aufstehen müssen. Besonders betroffen sind Nachtarbeiter, da diese Arbeitsgruppe konträr zum eigentlich natürlichen biologischen Rhythmus aktiv sein muss. Sie arbeiten also während die innere Uhr eine Schlafenszeit vorsieht und entsprechend weitere Hormone wie zum Beispiel das „Stresshormon“ Cortisol und auch die Körpertemperatur runterfährt. „Dies geht dann leider mit reduzierter Konzentrationsfähigkeit und erhöhter Fehlerhäufigkeit einher“, meint Dr. Thiedemann.
Die innere Uhr wieder in Takt bringen
„Es ist wichtig, die gewohnten Aufsteh- und Bettgehzeiten gemäß der neuen Uhrzeit anzupassen, trotz der veränderten Lichtverhältnisse. Wie lange diese Anpassung dauert, kann individuell unterschiedlich sein und hängt auch vom Chronotyp, also, ob jemand eher Morgen- oder Nachtmensch ist, ab“, erklärt Dr. Zeising. Bei der Zeitänderung um eine Stunde wird sich die innere Uhr innerhalb weniger Tage anpassen. „Die Einnahme von Medikamenten muss dem neuen Tagesrhythmus ebenfalls angepasst werden. Dies ist besonders relevant für bestimmte Hormonpräparate wie z.B. Insulin oder Schilddrüsenhormone“, betont Dr. Zeising.
Jetlag bei Reisen
Auch der Wechsel in eine andere Zeitzone bringt die innere Uhr deshalb durcheinander, weil sich die Lichtverhältnisse verändern und nicht mehr den gewohnten entsprechen – man spricht vom Jetlag, der auch wissenschaftlich belegt ist. Die Auswirkungen des Jetlags werden gravierender, je mehr Zeitzonen zwischen dem heimischen und dem neuen Ort liegen. „Bei der Zeitumstellung handelt es sich im Grunde um eine kleine Reise in eine benachbarte Zeitzone“, erklärt Dr. Thiedemann. Ähnlich wie ein Urlaub nach beispielsweise Großbritannien, Portugal (- 1 Stunde) oder Griechenland (+ 1 Stunde). „Die Anpassung der inneren Uhr kann einige Tage in Anspruch nehmen und hängt davon ab, wie weit man sich von der heimischen Zeitzone Richtung Osten oder Westen entfernt hat“, sagt Dr. Thiedemann.
Bei Reisen über mehrere Zeitzonen ist es wichtig, sich schnell an die örtlichen Begebenheiten anzupassen. Es kann hilfreich sein, bereits während des Flugs die Uhrzeit auf die neue Zeitzone anzupassen, um sich mental vorbereiten zu können. Bei Ankunft am neuen Ort ist es dann sinnvoll, am neuen Tagesrhythmus aktiv teilzunehmen, viel Zeit im Freien zu verbringen, jedoch auf anstrengende Aktivitäten in den ersten Tagen möglichst zu verzichten. „Ebenfalls ist es günstig, in den ersten Tagen auf Alkohol und Schlafmittel zu verzichten, da diese den Schlafrhythmus zusätzlich stören können“, rät Dr. Thiedemann. Prinzipiell gilt, je weiter die neue Zeitzone von der heimischen abweicht, desto länger dauert auch die Anpassung und Synchronisierung der inneren Uhr an die neuen Gegebenheiten.
Wenn alles nichts hilft?
Im Schlafmedizinischen Zentrum im Klinikum Ingolstadt werden alle Arten von Schlafstörungen untersucht und bei Möglichkeit entsprechend behandelt. Die Schlafambulanz ist die erste Anlaufstelle im schlafmedizinischen Zentrum. Hier können sich Patienten mit Schlafstörungen, einer mangelnden Schlaferholsamkeit oder erhöhter Tagesmüdigkeit bzw. Tagesschläfrigkeit vorstellen; notwendig ist die Überweisung durch einen Allgemein- oder Facharzt. Falls erforderlich, erfolgt durch die Schlafambulanz die Zuweisung in unser Schlaflabor. Die Betroffenen werden für ein bis zwei Nächte zur Untersuchung und ggf. notwendiger Therapieeinleitung im Schlaflabor aufgenommen. Über einen Zeitraum von ca. acht Stunden werden nachts routinemäßig eine Reihe von Biosignalen aufgezeichnet (z.B. Hirnstromkurven, Augenbewegungen, Muskeltonus, Schnarchgeräusche, Herzfrequenz und Kennwerte der Atmung). Zudem erfolgt eine kontinuierliche Videometrie, um auffällige Verhaltensweisen im Schlaf dokumentieren zu können.