Wissen, Können und viel Herz
31. Juli 2017
Dass die Pflege und Betreuung kranker Menschen besondere Fähigkeiten verlangen, ist bekannt. So braucht es neben dem erlernten Wissen und Können eine besondere innere Einstellung. Denn in nur wenigen Berufsfeldern kommt man so nah mit Menschen zusammen, die Hilfe brauchen. In einem ganz besonderen Ausmaß gilt das für eine Form der Medizin, die in der Öffentlichkeit nicht sehr bekannt ist, die aber angesichts einer älter werdenden Gesellschaft zunehmend an Bedeutung gewinnt: die Gerontopsychiatrie.
Am Klinikum Ingolstadt wird diese Form der Medizin, die sich mit Erkrankungen und psychischen Störungen des höheren Lebensalters befasst, im Zentrum für psychische Gesundheit unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Pollmächer angeboten. Vor allem auf den Stationen 16 und 17 werden die Patientinnen und Patienten behandelt, die von der Gerontopsychiatrie profitieren sollen. Ihre Gemeinsamkeit ist das höhere Alter – alle Patienten hier sind über 65 Jahre alt. Doch das ist auch schon die einzige Gemeinsamkeit, wie Stationsleiterin Antje Pöpperl beim Rundgang durch eine der Stationen bestätigt: „Die Krankheiten, mit denen die Menschen zu uns kommen, wirken sich bei jedem unserer Patienten anders aus“, sagt die erfahrene Fachkraft für Gesundheits- und Krankenpflege: Für sie und ihr Team bedeutet das: „Wir müssen uns ganz individuell auf jeden Patienten und jede Patientin einstellen, und das jeden Tag neu“.
Denn ein Schwerpunkt der Gerontopsychiatrie ist die bedarfsgerechte Betreuung von Menschen mit Demenz, die Verhaltensauffälligkeiten zeigen. Hierin hat man im Klinikum große Erfahrung. Zur Gerontopsychiatrie gehört aber auch die Behandlung von Depressionen oder Angststörungen, deren Behandlung auch vom Alter der Betroffenen abhängt. „Die Menschen, die zu uns kommen, sind meist schon vorher über einen längeren Zeitraum erkrankt. Wenn sich dann aber plötzlich eine akute, behandlungsbedürftige Symptomatik zeigt, dann sind wir die Ansprechpartner für die Patienten selbst, die Alten- und Pflegeheime, für die niedergelassenen Ärzte und Notärzte, aber auch für die Verwandten der Patientinnen und Patienten, die sehr schnell Hilfe brauchen“, erklärt Antje Pöpperl. Die Patienten kommen dann meist über die Notaufnahme. Dort muss abgeklärt werden, ob das akute Krankheitsbild, zum Beispiel ein Verwirrtheitszustand, seine Ursache vielleicht in einem Schlaganfall oder der Entgleisung einer vorhandenen Diabeteserkrankung hat. „Erst wenn diese Notfalldiagnostik abgeschlossen ist, kommen die Patienten bei entsprechender Indikation zu uns“ erklärt Oberarzt Dr. Reiner Heigl.
Einfühlungsvermögen, Ruhe und Gelassenheit
Die Stationen, in der Gerontopsychiatrie , unterscheiden sich schon auf den ersten Blick von anderen Klinikstationen: in kleinen Gruppen, manchmal auch einzeln, sitzen Patienten an Tischen oder in Sitzgruppen. Als Laie kann man nicht gleich erkennen, ob alle von ihnen ihre Umwelt wahrnehmen oder nicht, aber für das Pflegepersonal macht das ohnehin keinen Unterschied: jeder Patient wird freundlich angesprochen, es wird auch einmal eine Hand gehalten, wenn ein Mensch plötzlich unruhig oder ängstlich wirkt, die ganze Atmosphäre ist von Ruhe geprägt: „Man braucht, wenn man hier arbeitet, schon ein besonderes Einfühlungsvermögen und auch Geduld und Gelassenheit – Hektik bringt einen hier sicher nicht weiter“, sagt Irina Puschilin, auch sie eine erfahrene Fachkraft. Für sie steht fest: „Die Menschen, die uns anvertraut werden, brauchen eine besondere Hilfe und wir bemühen uns, ihnen diese Hilfe zu geben“. Schnelle Behandlungserfolge seien nicht unbedingt die Regel hier, aber: „Wir freuen uns auch über jede kleine Verbesserung, das kann auch einfach einmal ein Lächeln sein, das man zum ersten Mal im Gesicht des Patienten sieht“.
Wer in der Gerontopsychiatrie arbeitet, der braucht aber nicht nur ein gutes Gespür für die Patientinnen und Patienten, sondern oftmals auch für die Angehörigen: „Es ist für eine Ehefrau oder einen Ehemann, aber auch für Kinder nicht leicht, wenn sich der Lebenspartner oder ein Elternteil im Alter auf Grund einer Erkrankung immer mehr verändert. Wird dann ein Klinikaufenthalt notwendig, machen sich die Angehörigen Sorgen, wie es dem geliebten Menschen bei uns geht. Und es kommen oft auch Gedanken an die Zeit nach dem Klinikaufenthalt dazu. Gerade ältere Lebenspartner erkennen, dass sie Pflege und Betreuung alleine nicht schaffen können“ , hat Antje Pöpperl in vielen Gesprächen mit Angehörigen erfahren. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter helfen dann, die Zeit nach dem Klinikaufenthalt zu organisieren, sie informieren über Hilfsmöglichkeiten und nicht selten sind sie auch für die Angehörigen wichtige „seelische Stützen“.
Bewerbungen erwünscht
„Unsere Arbeit hier ist sicher anspruchsvoll, aber sie ist eben auch etwas Besonderes“, da sind sich Antje Pöpperl und Irina Puschilin einig. Man bekomme im Laufe der Zeit einen guten Blick für Menschen, die Arbeit sei abwechslungsreich und spannend und biete auch gute Perspektiven, so Pöpperl. Wer als Pflegefachkraft für Gesundheits- und Krankenpflege oder Altenpflege oder als Pflegefachhelfer/in eine besondere Aufgabe suche, der sei im Team der Gerontopsychiatrie herzlich willkommen, dies gelte auch für Interessenten am Bundesfreiwilligendienst oder an einem Freiwilligen Sozialen Jahr. Der Wille zur Weiterbildung sollte aber auf jeden Fall vorhanden sein, auch die Fähigkeit zur Teamarbeit sei wichtig. Freundlichkeit und Einfühlungsvermögen sind ebenfalls unverzichtbar. „Dafür kann man sich aber auch sicher sein, dass man einen echten Dienst am Mitmenschen leistet“, sagt Antje Pöpperl und sie fügt hinzu: „Weil wir alle einmal alt werden, weil wir nicht wissen, wie es uns im Alter geht, haben wir hier einen ganz einfachen Grundsatz: wir behandeln unsere Patienten so, wie wir selbst behandelt werden möchten, wenn wir im Alter einmal Hilfe brauchen sollten – und das tun wir mit Wissen, Können und viel Herz“.
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