Seinen Cholesterinwert zu kennen, ist ein wichtiger Schritt zu einem gesunden Leben. Denn ist er dauerhaft zu hoch, kann es in der Folge zu schweren Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall kommen. Zum Tag des Cholesterins am 19. Juni gibt Prof. Dr. Karlheinz Seidl, Direktor der Medizinischen Klinik I im Klinikum Ingolstadt, interessante Einblicke in diese komplexe Thematik. Denn Cholesterin ist nicht grundsätzlich schlecht, sondern – in gewissem Maße – sogar lebensnotwendig für den Körper. Ein Interview.
Prof. Seidl, was ist Cholesterin eigentlich und wo im Körper findet man es?
Prof. Seidl: Cholesterin ist ein Blutfett bzw. Lipid, das von unserem Körper zum größten Teil selbst in der Leber hergestellt wird. Nur etwa 20 Prozent unseres Cholesteringehalts nehmen wir über die Nahrung auf.
Wie erkenne ich, ob mein Cholesterinspiegel zu hoch ist?
Prof. Seidl: Ein erhöhter Cholesterinspiegel macht an sich keine Beschwerden. Deshalb bleibt er auch lange Zeit unerkannt – oftmals über mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte. Teilweise sieht man bei den Patienten gelbliche Cholesterinablagerungen in der Haut, an den Sehnen der Füße und Handgelenke (Xanthome) oder am Auge (Xanthelasmen) sowie Cholesterinringe in den Augen (Arcus lipoides). Da die gesundheitlichen Schäden eines dauerhaft zu hohen Cholesterinspiegels enorm sein können, empfehle ich, den Cholesterinspiegel regelmäßig, also alle zwei bis drei Jahre, durch eine Blutanalyse im Rahmen eines Gesundheitschecks beim Hausarzt kontrollieren zu lassen.
Was steckt hinter der umgangssprachlichen Bezeichnung „gutes“ und „schlechtes“ Cholesterin?
Prof. Seidl: Um durch den Körper transportiert zu werden, heften sich die Blutfette an Eiweiß. Man unterscheidet verschiedene Arten dieser Blutfett-Eiweiß-Verbindungen, auch Lipoproteine genannt. So gibt es unter anderem LDL (Low Density Lipoprotein), das einen hohen Anteil an Cholesterin transportiert und das HDL (High Density Lipoprotein), das relativ wenig Cholesterin transportiert. Je höher der Cholesterin-Anteil, desto geringer ist die Dichte und desto schädlicher die Verbindung. Mit „gutem“ Cholesterin ist damit das HDL gemeint. Dieser Wert darf durchaus höher sein, da es als Schutzfaktor für die Gefäße dient. Das LDL ist das „schlechte“ Cholesterin, da es maßgeblich zur Entstehung von Arteriosklerose, also Ablagerungen in den Gefäßwänden, beiträgt. Dieser Wert sollte unbedingt niedrig gehalten werden.
Warum ist ein zu hoher Cholesterinspiegel schlecht für die Gesundheit?
Prof. Seidl: Ist der (LDL-)Blutspiegel dauerhaft zu hoch, kann sich Cholesterin an den Gefäßwänden der Arterien ablagern. Durch sogenanntes Plaques (Verkalkungen) kommt es zu einer Gefäßverengung und damit zu Durchblutungsstörungen in den betroffenen Gefäßen. Dieser Prozess, die Arteriosklerose, entsteht nicht akut, sondern dauert Jahre. Die Folge: Herzinfarkt und Schlaganfall. Wir kennen es von Leitungsrohren: Zunächst haftet sich nur wenig Kalk an, über die Jahre nehmen die vorhandenen Ablagerungen jedoch zu, bis es schließlich zu einer Verengung kommt. Genauso ist es an den Gefäßen im Körper. Leider merkt ein Patient dies erst wenn ein Gefäß mit mehr als 70 Prozent verengt ist. Typische Warnsignale, bevor es zu einem tatsächlichen Herzinfarkt kommt, sind oftmals Druck auf der Brust – zunächst bei Belastung, später aber auch in Ruhe. Dann ist sofortiges Handeln notwendig. Leider ist bei vielen Patienten der Herzinfarkt das erste Zeichen der Gefäßverengung. Umso wichtiger ist es, seinen Cholesteringehalt im Blut immer wieder zu kontrollieren.
Wodurch wird der Cholesterinspiegel beeinflusst?
Prof. Seidl: Ein zu hoher oder niedriger Cholesterinspiegel wird durch zwei verschiedene Ursachen beeinflusst. Ein entscheidender Faktor liegt in den Genen, um genau zu sein, in 150 verschiedenen Genen, die nach derzeitigem Kenntnisstand den Blutfettspiegel beeinflussen. Wer an einem zu hohen Cholesterinspiegel leidet, sollte seine „schlechten Gene“ jedoch nicht als Ausrede verwenden. Denn der andere beeinflussende Faktor auf unseren Blutfettspiegel ist der persönliche Lebensstil: Die Zusammensetzung der Ernährung sowie unser Bewegungspensum haben ebenfalls einen großen Einfluss auf unseren Cholesterinspiegel.
Welche Personengruppe ist besonders durch zu hohe Cholesterinwerte betroffen?
Prof. Seidl: In der zivilisierten Welt sind es leider vor allem die übergewichtigen Patienten. Ursache ist eine zu fettreiche Ernährung, sowie eine allgemein ungünstige Lebensführung, inklusive Rauchen und übermäßigem Alkoholgenuss. Frauen trifft es in der Regel etwas später, da sie aufgrund ihrer Hormone eine Zeit lang besser geschützt sind. Aber auch Krankheiten, wie zum Beispiel eine Unterfunktion der Schilddrüse oder die Zuckerkrankheit, kann zu hohen Cholesterinwerten führen.
Welche Rolle spielen die Gene?
Prof. Seidl: Es gibt auch angeborene Fettstoffwechselstörungen, wie die familiär vererbte Hypercholesterinämie. Hier ist es wichtig, sie rechtzeitig zu erkennen. Oft haben die betroffenen Patienten Cholesterinwerte über 300 mg/dl bzw. LDL-Cholesterin-Werte über 190mg/dl und in der Vorgeschichte finden sich häufig mehrere frühe Herzinfarkte in der Familie – bei Männern vor dem 55. Lebensjahr, bei Frauen vor dem 60. Lebensjahr. Sollte eine familiäre Hypercholesterinämie bekannt sein, ist es umso wichtiger, andere Risikofaktoren zu vermeiden bzw. gut einzustellen und präventiv tätig zu sein.
Was raten Sie Patienten mit zu hohem Cholesterinspiegel?
Prof. Seidl: An erster Stelle müssen Betroffene ihren Lebensstil optimieren. Neben der Vererbung steckt hinter einem erhöhten Cholesterinspiegel meistens eine ungesunde, unausgewogene und fetthaltige Ernährung sowie wenig Bewegung. Ich empfehle eine mediterrane Ernährung, also viel Gemüse, Obst, Vollkornprodukte, Nüsse, Öl, Fisch und wenig Fleisch. Damit lässt sich der LDL-Blutspiegel um bis zu 20 Prozent senken. Damit einhergehend sollte eine Gewichtsreduktion angestrebt werden mit einem Ziel-BMI von 25. Um sein Bewegungspensum aufzustocken, empfehle ich an fünf Tagen die Woche mindestens 30 Minuten moderate Bewegung am Tag. Von Bodybuilding rate ich dagegen ab, da Pressatmung wiederum den Blutdruck erhöht – dies wäre im Falle einer Arterienverkalkung kontraproduktiv. Grundsätzlich sollte sich aber jeder Betroffene vor Trainingsbeginn ärztlich untersuchen und den Blutdruck gut einstellen lassen.
Davon bitte mehr! Wer auf seinen Cholesterinspiegel achten will, verzichtet auf Lebensmittel mit ungesättigten Fettsäuren und setzt stattdessen lieber auf viel Gemüse, Obst, Vollkornprodukte, Nüsse und Fisch.
Wie sieht es mit Eiern aus? Hier hört man immer wieder Unterschiedliches – die einen sagen, sie seien schlecht für den Cholesterinspiegel andere wiederum behaupten das Gegenteil.
Prof. Seidl: Verbotene cholesterinreiche Lebensmittel gibt es nicht mehr. Es sollten nicht mehr als 300 mg Cholesterin pro Tag verzehrt werden. Tatsächlich ist man auch von der negativen Empfehlung von Eiern abgekommen. Denn, in Maßen gegessen, können Eier und auch Krustentiere Teil einer ausgewogenen Ernährung sein.
Worauf sollte man besser verzichten?
Prof. Seidl: Nahrungsmittel, die man nicht in großen Mengen zu sich nehmen sollte und die mit fettarmen Alternativen mit einem hohen Gehalt an ungesättigten Fettsäuren ersetzt werden sollten, sind Milchprodukte wie Käse, Butter, Milch und Sahne, aber auch Wurst und Fleischwaren von Rind- oder Schwein wie Hackfleisch, Würstchen oder Aufschnitt sowie Fertiggerichte und Süßspeisen.
Dinge also, bei denen sich viele Menschen mit dem Verzicht sicherlich hart tun…
Prof. Seidl: Wichtig ist eine bewusste Ernährung, keiner will ständig verzichten. Das, verbunden mit einem aktiven Lebensstil, ist in der Regel ausreichend. Dann darf man sich auch ab und zu mal etwas gönnen. Man sollte sich bewusstmachen, dass man eben nicht regelmäßig z. B. Eier oder einen Schweinebraten isst. Hier finde ich ein Zitat von Gerald Wüchner, Koch und Autor, sehr passend: „Essen ist eine Notwendigkeit. Aber mit Verstand zu essen, ist eine Kunst“.
Prof. Dr. Karlheinz Seidl, Direktor der Medizinischen Klinik I im Klinikum Ingolstadt