Donald Trump hat Ende Oktober, aufgrund der raschen Zunahme von Drogentoten durch Opiate, den nationalen Notstand erklärt und zur Bekämpfung der Drogenepidemie aufgerufen. In den USA sterben jährlich über 50.000 Menschen am Missbrauch von Opiaten, die ihnen oft zunächst ihr Arzt verordnet hat. In Deutschland ist die Zahl der Todesopfer deutlich geringer, aber es gibt bereits hunderttausende Medikamentenabhängige, die häufig an einer Schmerzstörung leiden.

 Ein Hauptgrund für die ausufernden Zahlen in den USA ist die freizügige Verschreibung von Opioiden durch Ärzte. „Es wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen,“ erklärt Prof. Andreas Schuld, stellvertretender Direktor des Zentrums für psychische Gesundheit und Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II am Klinikum Ingolstadt. Opioide sollten laut der Weltgesundheitsorganisation bei chronischen und akuten starken Schmerzen eingesetzt werden. „In den USA verschreiben Ärzte die Medikamente bereits bei Bagatellverletzungen. Einfache Schmerzmittel mit Wirkstoffen wie Ibuprofen oder Paracetamol wären eher angebracht, da sie dort ansetzen, wo der Schmerz entsteht. Opioide wie Morphin oder Fentanyl haben neben der Schmerzlinderung eine euphorisierende oder angstlösende Wirkung. Diese Effekte sind maßgeblich für eine schnelle Abhängigkeit“, erläutert Prof. Schuld weiter. In Deutschland gelten laut der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. deutlich strengere Behandlungsregelungen. Eine Situation wie in den USA sei nicht zu befürchten. Dennoch steige die Zahl von Medikamentenmissbrauch- und abhängigkeit.

„Viele Patienten kommen leider sehr spät zu uns“

Dr. Serena Haag im Gespräch mit einem Patienten. Dr. Serena Haag im Gespräch mit einem Patienten.

„Leistungsdruck und der Versuch, Schmerzen schnell durch Tabletten zu beseitigen, sind häufige Auslöser für die regelmäßige Einnahme von Schmerzmitteln“, erklärt Dr. Serena Haag, leitende Ärztin der Psychosomatik am Zentrum für psychische Gesundheit. Dr. Haag und ihr Team betreuen schwerpunktmäßig Patienten mit chronischen Schmerzen, die im Alltag deutlich beeinträchtigt sind. Oft haben sie zahlreiche Therapieversuche ohne dauerhaften Erfolg hinter sich, bevor sie in Behandlung kommen. „Viele Patienten wollen schnell in den Alltag zurückkehren und nehmen frei verkäufliche Schmerzmittel, ohne dass sich die Beschwerden ausreichend bessern. Im weiteren Verlauf kommen häufig zusätzliche, verschreibungspflichtige Medikamente hinzu, die ein höheres Potenzial für eine Abhängigkeit haben“, so Dr. Haag und erklärt weiter: „Patienten erkennen die psychische Abhängigkeit oft nicht, die durch die dauerhafte Einnahme entsteht und geraten so in einen Teufelskreis. Sie nehmen immer mehr und immer stärkere Tabletten, ohne eine wirkliche Wirkung zu erzielen.“

Verbesserung der Alltagssituation steht im Vordergrund

Dabei können Maßnahmen wie zum Beispiel physikalische oder Psychotherapie viel besser helfen. Schmerzmittel sind in der Behandlung aber nicht grundsätzlich schlecht. Wichtig ist die korrekte Anwendung und Auswahl der richtigen Substanzen je nach  Schmerztyp. „Akut  bei Kopf- oder Rückenschmerzen sind andere Substanzen sinnvoll als bei Tumorschmerzen, bei denen Opioide selbstverständlich ihren Stellenwert haben“, erklärt Prof. Schuld. Besonders zu betrachten sind Patienten mit chronischen Schmerzen und teils langwieriger, erfolgloser Schmerzmitteleinnahme: „Wir möchten unseren Patienten ein nachhaltiges Konzept bieten. Ziel ist es immer die chronischen Schmerzen zu reduzieren oder im besten Fall ganz zu beseitigen“, sagt Prof. Schuld. Dabei gehe es zunächst vor allem um Psychoedukation. Das heißt, zusammen mit dem Patienten zu erläutern, warum er den Schmerz empfindet und wie er mit seinen chronischen Schmerzen umgehen kann, um seine persönliche Alltagssituation zu verbessern. Parallel erfolgen am Klinikum Ingolstadt neben spezifischer Psychotherapie  in Einzel- und Gruppengesprächen, zusätzlich intensive Ergo- und Physiotherapie und, falls nötig, die zusätzliche Gabe von geeigneten Medikamenten. Oft gelingt es die Einnahme abhängigmachender Medikamente zu reduzieren und stattdessen auf Substanzen zu setzen, die die affektive Beteiligung oder das Schmerzgedächtnis günstig beeinflussen. „Die Erfahrung zeigt, dass Patienten mit chronischen Schmerzen auf solche Behandlungen sehr gut ansprechen und sich eine deutliche Steigerung der Lebensqualität einstellt,“ so Prof. Schuld.

Das Zentrum für psychische Gesundheit

Das Zentrum für psychische Gesundheit am Klinikum Ingolstadt behandelt Menschen mit psychischen Problemen und Erkrankungen aller Art. Das Zentrum umfasst 325 Akutkrankenbetten in zwei bettenführenden Kliniken, 20 Plätze in der Tagesklinik und 20 in der Entwöhnungseinrichtung, ferner eine psychiatrische Institutsambulanz und ein eigenes schlafmedizinisches Zentrum. Jährlich werden etwa 5000 Patienten stationär und mehr als 2500 Patienten in der Ambulanz durch ein multiprofessionelles Team aus Ärzten, Psychologen, Pflegekräften, Sozialpädagogen und weiteren speziell qualifizierten therapeutischen Mitarbeitern behandelt.

 

Veröffentlicht: 17. November 2017 | Aktualisiert: 11. November 2024 | Kategorien: Pressemitteilungen |
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