Im Zyto-Labor werden Chemotherapie-Lösungen für Krebspatienten hergestellt. Dabei gleicht keine Zubereitung der anderen, jeder Patient erhält eine auf ihn abgestimmte Wirkstoffmischung — eine höchstverantwortungsvolle Aufgabe. Wir haben den Experten im Labor über die Schulter geschaut.

Zytolabor

Eine Mitarbeiterin mit Mundschutz, blauer Schutzbekleidung und grünen Handschuhen sitzt konzentriert an einer Plexiglasscheibe. In der Scheibe sind zwei Löcher, durch die die Mitarbeiterin mittels befestigter Handschuhe ins Innere des Gehäuses fassen kann. Dort stehen größere und kleinere Fläschchen mit Flüssigkeiten. Manche sind farblos, andere milchig und wieder andere leuchtend rot. Sie zieht ganz langsam eine Einmalspritze mit einer der Flüssigkeiten auf und überträgt diese in einen Infusionsbeutel. Auch das macht sie mit größter Sorgfalt — die ist wichtig, denn hier, im Zyto-Labor, muss alles aufs Milligramm genau stimmen. Hier, versteckt im Keller des Klinikums, werden Lösungen für Krebspatienten hergestellt.

Diese sogenannten Zytostatika sind im Kampf gegen Krebs oft unerlässlich und kommen im Rahmen einer Chemotherapie zum Einsatz. Sie verhindern den Zellteilungsprozess im Körper und damit die weitere Ausbreitung des Tumors oder der Metastasen. Wenn man so will, ist das Zyto-Labor die Maßschneiderei für Tumorbehandlungen: Die Zytostatika werden für jeden Patienten individuell hergestellt. „Immer abgestimmt auf die speziellen Bedürfnisse, das Gewicht, die Größe und das Alter des Patienten“, sagt Maximilian Szatko, der als Apotheker in der Klinikapotheke, zu der das Zyto-Labor gehört, arbeitet. Neben Szatko sind in der Klinikapotheke zirka 20 weitere Fachkräfte beschäftigt, vier davon arbeiten im Zyto-Labor. „Um Zytostatika herstellen zu dürfen, muss man eine Ausbildung als Pharmazeutisch-technischer Assistent gemacht haben und jedes Jahr aufs Neue einen Nachweis darüber erbringen, dass man steril produzieren kann“, erklärt Szatko. „Unsere PTAs haben außerdem eine Weiterbildung im Bereich Onkologie.“ In der Apotheke werde sie deshalb liebevoll „die Zyto-Mädels“ genannt, über die Szatko mit Überzeugung sagt: „Die sind wirklich überragend.“

Denn auch Maximilian Szatko weiß, wie viel Verantwortung die PTAs tragen und wie sorgfältig sie ihre Arbeit machen. „Ein Fehler könnte fatale Folgen haben.“ Die Mitarbeiter im Zyto-Labor müssen deshalb stets mit höchster Konzentration und kühlem Kopf arbeiten. Und sie müssen sich penibel genau an die strengen Hygienevorschriften halten. Produziert werden die Zytostatika in einem Reinraum, also in steriler, keimfreier Umgebung. Putzen und Desinfizieren stehen hier nicht nur einmal auf der Tagesordnung. „Das Immunsystem von Patienten mit Krebs ist stark geschwächt, jeder Einfluss von außen könnte es noch weiter schwächen.“  Wer also rein will ins Zyto-Labor, muss sich — wie etwa im OP-Bereich auch — zunächst in einer Personenschleuse umziehen. Mundschutz, Haube, Schutzbekleidung, Handschuhe — bei der Zytostatika-Herstellung selbst trägt die PTA drei Paar Handschuhe — und extra Schuhe gehören zur Ausrüstung. Zusätzlich gibt es eine Materialschleuse. „Alles, was in den Reinraum reingeht, muss vorher desinfiziert werden“, sagt Maximilian Szatko. Dieselbe Vorsicht sei bei allem geboten, was aus dem Reinraum zurückkommt. Hier reicht reines Desinfizieren nicht mehr aus, die Infusionsbeutel müssen noch einmal extra verpackt werden, ehe sie durch die Materialschleuse gegeben werden können. „Damit keiner in Berührung mit Zytostatikaresten kommen kann, die vielleicht außen an den Originalfläschchen kleben. Das wäre gefährlich!“ Denn Zytostatika sind höchst toxische Substanzen — das müssen sie sein, wenn sie einen Prozess wie die Zellteilung im Körper verhindern sollen. Aus diesem Grund geben die Mitarbeiter die fertigen Infusionen auch nicht aus ihrer Obhut, bis diese beim richtigen Patienten sind.

Saftey first: Bevor die hergestellten Zytostatika zu den Patienten gebracht werden, kontrolliert Maximilian Szatko noch einmal, ob Auftrag und Infusionsbeutel richtig zugeordnet wurden.

Sicherheit steht im Zyto-Labor an erster Stelle. „Wir arbeiten mit dem Prinzip der doppelten Kontrolle“, erklärt Apotheker Szatko. Bekommt er ein sogenanntes Therapieschema vom zuständigen Arzt, kontrolliert er zunächst noch einmal, ob die Kombination der Wirkstoffe nachvollziehbar ist. „Wir arbeiten ja komplett papierlos, die Bestellung der Chemotherapien für die Patienten erfolgt elektronisch. Es könnte also vorkommen, dass ganz einfach ein Klick irgendwo falsch gesetzt ist. Deshalb checke ich alles noch einmal gegen“, so Szatko. Erst danach geht das Rezept ins Zyto-Labor, wo die Pharmazeutisch-technische Assistentin mit der Herstellung des Zytostatikums beginnt. „Ist ein Produkt fertig, muss die PTA das jeweilige Rezept mit jedem Wirkstoff, den sie verwendet hat, unterschreiben. Sie hat dann Zeit, sich nochmal in Ruhe durch den Kopf gehen zu lassen, ob sie alles, was im Schema steht, auch wirklich so verwendet hat“, sagt Szatko. Zu guter Letzt kontrolliert auch er noch einmal, ob Auftrag und Infusionsbeutel richtig zugeordnet wurden. Erst dann bringen er oder seine Kolleginnen die Infusion zum Patienten.

Hier gilt: Je schneller, desto besser. „Die Haltbarkeit der Zubereitungen ist kurz, zwischen vier Stunden und höchstens ein paar Tagen“, so Szatko. Produziert wird damit quasi just-in-time — wenn der Auftrag kommt, wird sogleich mit der Produktion begonnen. Das, sagt der 27-Jährige, sei einer der Vorteile, an der Produktion im eigenen Haus: Der logistische Aufwand ist gering. Im Jahr bereitet das Zyto-Labor rund 7.000 Infusionen, Spritzen und Pumpen zu. Doch nicht alle davon sind für die Patienten im Klinikum bestimmt. „Wir liefern unsere Zytostatika auch an die Kliniken in Kösching und Neuburg“, weiß Szatko. Denn ein eigenes Zyto-Labor zu unterhalten, ist teuer und macht erst ab einer gewissen Hausgröße Sinn.

Veröffentlicht: 12. Juni 2020 | Aktualisiert: 14. November 2024 | Kategorien: Klinikums G'schichten |
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