Mit der Klinik für Pneumologie, Beatmungsmedizin und Thorakale Onkologie hat das Klinikum Ingolstadt eine große Versorgungslücke in der Region geschlossen

Im November vergangenen Jahres hat das Klinikum Ingolstadt sein Behandlungsspektrum um die Klinik für Pneumologie, Beatmungsmedizin und Thorakale Onkologie erweitern können. Vom Universitätsklinikum Münster wechselte Privatdozent Dr. Lars Henning Schmidt nach Ingolstadt und übernahm die Leitung der ersten und einzigen Klinik für Lungenheilkunde in der Region 10. „Dementsprechend sind wir in Bezug auf Lungenerkrankungen Ansprechpartner für eine halbe Million Menschen“, erläutert er. Ein Großteil der Patienten kann fortan das Angebot einer heimatnahen Versorgung nutzen. Auch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie hat sich die Entscheidung für den neuen Fachbereich als goldrichtig erwiesen. Mit seiner Expertise unterstützt der Lungenexperte seine Kollegen in der Intensivmedizin bei der Behandlung von Covid-19-Patienten.

Mit dem Bronchoskop lassen sich beispielsweise Tumore in den Atemwegen abtragen. Der dünne Schlauch wird dabei über den Mund eingeführt.

 

Dass ein Krankenhaus einen gänzlich neuen Fachbereich einrichtet, ist laut PD Dr. Schmidt durchaus bemerkenswert. Bundesweit würden im Schnitt jährlich nur knapp eine Handvoll neuer Fachkliniken eröffnet. „Es ist ja auch immer ein Wagnis und mit viel Arbeit verbunden“, weiß er. In jedem Fall werde durch die Etablierung einer Klinik für Lungenerkrankungen eine Lücke in der Patientenversorgung geschlossen. „Der Bedarf an pneumologischen Behandlungen ist groß“, sagt der 40-Jährige Chefarzt. Denn die Verbreitung von Lungenerkrankungen nimmt immer weiter zu. Darüber hinaus zählt der „Lungenkrebs seit vielen Jahren zu den häufigsten tumorbedingten Todesursachen weltweit“, erklärt der Mediziner.

 

10.000 Liter Luft in 24 Stunden

Jeden Tag strömen über 10.000 Liter Luft durch unsere Lungenflügel und versorgen so unser Blut und unsere Organe mit Sauerstoff. Ist die Lunge krank, kann das schnell lebensbedrohlich werden. „Etwa zwei Drittel unserer Patienten erreichen uns über die Notaufnahme“, sagt PD Dr. Schmidt. „Meist sind es ältere Menschen, die betroffen sind.“

Die Klinik für Pneumologie, Beatmungsmedizin und Thorakale Onkologie bietet das komplette Spektrum zur Diagnostik und zur Therapie pneumologischer Erkrankungen an. Behandelt werden neben den bösartigen Erkrankungen der Lunge und des Brust- und Rippenfells auch obstruktive Ventilationsstörungen wie zum Beispiel Asthma bronchiale oder die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD). „Zu uns kommen aber auch Patienten mit Lungenfibrosen oder rheumatischen Erkrankungen, bei denen die Lunge betroffen ist“, erklärt PD Dr. Schmidt. „Und dann sind da noch die infektiologischen Lungenerkrankungen wie Tuberkulose oder Lungenentzündungen.“

Häufige Verwechslung

Patienten mit Lungenentzündungen behandelt Dr. Schmidt besonders häufig. Die Pneumonie, wie die Entzündung der Lunge in der Fachsprache heißt, ist eine der am häufigsten auftretenden Lungenerkrankungen. Schätzungen zufolge erkranken in Deutschland jährlich rund 500.000 Menschen an einer Lungenentzündung, etwa ein Drittel davon muss zur (stationären) Behandlung ins Krankenhaus. „Man kann hier durchaus von einer Volkskrankheit sprechen“, sagt PD Dr. Schmidt. Auch Sars-CoV-2-Viren können schwere Lungenentzündungen bzw. -schäden hervorrufen und können insbesondere für ältere Menschen lebensbedrohliche Folgen entwickeln.

Oft werde die Pneumonie mit einer Bronchitis verwechselt. Bei Letzterer handelt es sich um eine akute Entzündung der Atemwege, die häufig durch Atemwegsviren ausgelöst wird. Bei einer Lungenentzündung hingegen sind die Lungenbläschen oder das -gewebe betroffen. „Hervorgerufen wird eine Pneumonie durch eine Infektion mit Bakterien, Viren, Pilzen oder Parasiten. Aber auch das Einatmen von giftigen Dämpfen oder Rauch kann eine Pneumonie zur Folge haben.“ Typische Symptome sind Fieber und Schüttelfrost, verbunden mit zunächst trockenem Husten und in schweren Fällen auch Atemnot. Da die Symptome oft vom Patienten nicht eindeutig zugeordnet werden können und häufig mit denen einer Erkältung verwechselt werden, suchen viele erst zu spät ärztliche Hilfe und müssen in der Folge im Krankenhaus behandelt werden.

 

 

Die Klinik für Pneumologie, Beatmungsmedizin und Thorakale Onkologie verfügt über ein modernes Lungenfunktionslabor. Hier können nicht nur die Atemgase genauestens analysiert, sondern auch sämtliche Herz-, Kreislauf- und Stoffwechselreaktionen ausgewertet werden.

Interventionelle Behandlungsmethoden

 

Bei der Behandlung seiner Patienten stehen PD Dr. Schmidt modernste Verfahren und Geräte zur Verfügung. Im hauseigenen Lungenfunktionslabor etwa kann die Leistungsfähigkeit der Atemwege untersucht werden. Gerade erst hat das Klinikum eine neue Lungenfunktionsanlage gekauft, die den höchsten medizinischen Standards entspricht und hochdifferenzierte Belastungsuntersuchungen der Lunge (Spiroergometrie) möglich macht. So können nicht nur die Atemgase genauestens analysiert, sondern auch sämtliche Herz-, Kreislauf- und Stoffwechselreaktionen ausgewertet werden. Ebenfalls neu im Besitz der Pneumologie ist ein zweites endobronchiales Ultraschallgerät, mit dem sich die Lunge von innen untersuchen lässt und mit dem beispielsweise auch zentral im Thorax liegende Lymphknoten erreicht werden können.

Angeboten werden darüber hinaus auch interventionelle Behandlungsmethoden, das heißt Behandlungsmethoden, bei denen keine Schnitte nötig sind. Vielmehr werden die Eingriffe oral mithilfe sogenannter Bronchoskope durchgeführt. „Das sind kleine medizinische Geräte, die über den Mund in die Atemwege eingeführt werden und mit denen wir beispielsweise einen Tumor abtragen und so die Atemwege wieder öffnen können. Man spricht hier von einer endobronchiale Tumorabtragung.“ Aber auch die Entnahme von Gewebeproben und Lungenspiegelungen unter Einsatz der Lungenspiegelung (Bronchoskopie) werden angeboten. Im Falle von endobronchialem Tumorwachstum sind auch Gewebeabtragungen möglich, um die Atemwege wieder zu eröffnen. Die Bronchoskope der neuesten Generationen haben mittlerweile nur noch Durchmesser zwischen zwei und acht Millimetern. Das macht die Behandlung für den Patienten besonders schonend, da kaum Gewebe beschädigt wird. „Gleichzeitig sind diese Geräte technisch so weit fortgeschritten, dass sie uns beste Bilder liefern und uns eindeutige Diagnosen ermöglichen. Das wiederum erhöht die Behandlungseffektivität und schließlich im besten Fall auch das Wohlergehen des Patienten“, beschreibt PD Dr. Lars Henning Schmidt.

Behandlung aus verschiedenen Blickwinkeln

Die individuell ausgerichtete Behandlung seiner Patienten ist für PD Dr. Schmidt besonders wichtig. „Jeder Patient ist anders, darauf müssen wir achten und eingehen“, betont der Facharzt für Pneumologie, der auch Facharzt für Hämatologie und Onkologie ist. Ziel sei immer eine ganzheitliche Behandlung des Patienten. Im Hinblick auf die Therapieentscheidung sollten daher neben einer breiten Diagnostik immer auch der aktuelle Zustand des Patienten berücksichtigt werden. Um die bestmögliche Therapie − Bestrahlung, operativ, medikamentös oder gar palliativ − festlegen zu können, arbeiten er und sein Team auch eng mit anderen Fachbereichen des Klinikums zusammen.

PD Dr. Lars Henning Schmidt hat speziell dafür interdisziplinäre Fallkonferenzen ins Leben gerufen. „Ziel war es, die Expertise, die wir im Klinikum haben, zu bündeln und zum Wohl unserer Patienten einzusetzen“, erklärt er. Konkret bedeutet das, dass Mediziner aus den Bereichen Thoraxchirurgie, Radiologie, Pathologie, Palliativmedizin, Anästhesie, Strahlentherapie, Infektiologie und den internistischen Disziplinen wöchentlich zusammenkommen.

Während in der Tumorkonferenz „Lunge/Thorax“ Patienten mit bösartigen Lungenerkrankungen besprochen werden, stellt die „Konferenz für interstitielle, infektiologische und seltene Lungenerkrankungen“ ein Forum dar, das sich insbesondere mit Lungengerüsterkrankungen sowie Infektionserkrankungen der Lunge befasst. Daneben werden in der palliativmedizinisch-pneumologischen Fallkonferenz gemeinsam mit dem Team der Anästhesie bzw. der Palliativmedizin wichtige Entscheidungen für die Patienten mit terminalen Lungenerkrankungen getroffen. „Unsere Fallkonferenzen sollen zu einer qualitativen Verbesserung der Behandlung beitragen unter Berücksichtigung der Expertise eines hochspezialisierten Teams aus Experten.“

Langfristig plant PD Dr. Lars Henning Schmidt, ein Zentrum für Lungenkrebs am Ingolstädter Klinikum aufzubauen und zu etablieren. „Aber so etwas dauert natürlich“, ist er sich bewusst, „und wir befinden uns nach wie vor in sehr besonderen Zeiten.“ Er sei froh, Mitstreiter gefunden zu haben, die mit ihm gemeinsam die Herausforderungen dieser Zeit angenommen haben. „Ohne mein Team und die vielfache Unterstützung, die ich erfahren habe, wäre auch der schnelle Aufbau unserer Klinik nie möglich gewesen.“ Sein Ziel für das kommende Jahr: „Unseren Patienten auch weiterhin Behandlungen von höchster Qualität zu bieten und hoffentlich zum Normalbetrieb zurückzufinden.“

 

Prof. Dr. Lars Henning Schmidt, Direktor der Klinik für Pneumologie und Thorakale Onkologie im Klinikum Ingolstadt Prof. Dr. Lars Henning Schmidt, Direktor der Klinik für Pneumologie und Thorakale Onkologie im Klinikum Ingolstadt

Veröffentlicht: 23. Dezember 2020 | Aktualisiert: 14. November 2024 | Kategorien: Klinikums G'schichten |
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