„Corona hat alles andere in die zweite Reihe verdrängt“
Thomas Schlagenhaufer (47) Stv. Leitung Einkauf und Logistik, Wirtschaftsbetriebe und zentrale Dienste; Leiter Lager & Logistik im Klinikum Ingolstadt
Herr Schlagenhaufer, wie erleben Sie die Corona-Krise?
Als extrem herausfordernd. Wir werden mit Dingen konfrontiert, die so zuvor nicht absehbar waren. Das sind ganz praktisch gesprochen Engpässe in der Versorgung oder wie limitiert manche Ressourcen doch sind. Uns wird gerade wie nie der Begriff der Endlichkeit vor Augen geführt. Und trotzdem erlebe ich diese Zeiten nicht nur als negativ: Der Zusammenhalt von uns Mitarbeitenden im Klinikum Ingolstadt ist schier unglaublich. Man sieht aufopferungsvolle Fürsorge und gegenseitige Rücksichtnahme, obwohl die Belastung psychisch und physisch derzeit besonders hoch ist.
Bei Ihnen laufen viele Stränge zusammen. Bitte geben Sie uns einen Einblick in Ihre Arbeit. Was genau ist Ihre Aufgabe im Klinikum?
Meine Aufgabe ist die Sicherstellung der Materialversorgung. Dies beinhaltet die Beschaffung, die Lagerhaltung und die Zurverfügungstellung für die jeweiligen Fachbereiche sowie die Entsorgung. Von Verbandsmaterialien, Spritzen, Kanülen, Textilien bis hin zu Hightech Implantaten. Um es gleich vorweg zu nehmen: Ja, auch Toilettenpapier! Es gilt sämtliche intralogistischen Versorgungsprozesse interdisziplinär so zu koordinieren, dass alle medizinisch-pflegerischen Abläufe reibungslos funktionieren können. Selbstverständlich kann dies alles nur mit den exzellent arbeitenden und synchronisierten Abteilungen, deren Leitungen und insbesondere deren hochmotivierten Mitarbeitenden realisiert werden.
Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag durch das Coronavirus verändert?
Covid-19 ist das allumfassende Thema, und hat zunächst einmal alles andere in die zweite Reihe verdrängt. Dabei geht es für unser Team vor allem darum, dafür zu sorgen, dass Dinge wie Schutzausrüstungen in ausreichender Menge dort vorhanden sind, wo sie gebraucht werden. Darüber hinaus müssen wir bestehende Prozesse immer wieder so erweitern und koordinieren, dass sie dieser dynamischen Ausnahmesituation schnell angepasst werden können. Alleine in unseren Wirtschaftsbetrieben arbeiten weit über 400 motivierte Mitarbeitende in der Ver- und Entsorgung, in der Hausreinigung, in der Küche und in der Kantine, für alle mussten wir einen Fahrplan erarbeiten, wie sie weiterarbeiten und trotzdem sicher durch die Krise kommen können.
Gerade zu Beginn der Krise hörte man immer wieder, dass die Schutzausrüstung knapp werden würde. Wie sah das im Klinikum aus? Welche Engpässe gab es?
Die Auswirkungen der Pandemie auf die Weltmärkte waren – und ist immer noch − immens. Global vernetzte Prozessketten wurden unterbrochen und so kam es zu massiven Einschränkungen bis hin zu Totalausfällen der Lieferfähigkeiten, zum Beispiel bei Atemschutzmasken, Schutzkitteln, Desinfektionsmitteln oder Untersuchungshandschuhen. Hinzu kommt, dass durch sprunghafte Fallzuwächse in kürzester Zeit mehrfache Jahresvolumen an Medikalprodukten verbraucht werden. Wir hatten im Klinikum bereits sehr früh mit der Beschaffung und Bevorratung diverser Artikel begonnen, gelangten mit Fortbestehen der Krise, jedoch auch an Grenzbereiche.
Aber am Ende ging nie etwas aus?
Auch im Klinikum Ingolstadt waren einige Artikel des Standardportfolios wie zum Beispiel Einwegschutzkittel irgendwann nicht mehr verfügbar. So wurden in enger Abstimmung mit allen beteiligten Fachabteilungen und der Krankenhaushygiene, standardisierte Vorgehensweisen herausgearbeitet, um durch die Verwendung und Kombination alternativer Artikel, weiterhin den bestmöglichen und nötigen Schutz gewährleisten zu können.
Einen Teil der Schutzausrüstung haben Sie auch über die Führungsgruppe Katastrophenschutz bekommen. Wie beurteilen Sie die Versorgung von staatlicher Seite?
Die versorgenden Stellen von staatlicher Seite sahen sich aufgrund der weltweiten Pandemieeffekte ebenso mit einer Vielzahl von Mammutaufgaben konfrontiert. Durch deren straffe Organisation und Verfügbarkeit der Stäbe und Gruppen wäre es im Bedarfsfall jederzeit möglich gewesen, auf deren Unterstützung zurückgreifen zu können. Die Kommunikation und Zusammenarbeit war höchstprofessionell.
Was wünschen Sie sich für die Zeit nach Corona?
Ich wünsche mir für die Zeit nach Corona, dass die während dieser für uns alle völlig neuen Situation gewonnenen Erkenntnisse eine möglichst lange Halbwertszeit haben und in Bereichen der Grundversorgung bzw. systemrelevanten Umgebungen zu nachhaltigen Veränderungen führen werden.
Was denken Sie, können wir jetzt für später lernen?
Vor allem, dass wir nicht so weitermachen dürfen wie bisher, sondern vorausschauender in die Zukunft planen müssen und hier auch neue Wege gehen müssen. Es gilt nachhaltige Alternativkonzepte in den Systemen der Grundversorgung zu erkennen, zuzulassen und dauerhaft zu etablieren. Dies muss nicht zwingend den Aspekten der Ökonomie entgegensprechen. Beispielsweise kann die sinnvolle Verwendung von Mehrweg- bzw. wiederaufbereitbaren Ressourcen nicht nur dazu beitragen, die Versorgung eigenständig aufrechtzuerhalten, sondern aufgrund der daraus resultierenden Entlastungseffekte den ökologischen Fußabdruck deutlich zu reduzieren.