Chirurgische Eingriffe an der Lunge ohne künstliche Beatmung
20. Januar 2023
Mit einer Lungenentzündung war der über 70 Jahre alte Patient an Neujahr ins Klinikum Ingolstadt gekommen. Ein großer Erguss, der sich durch eine Entzündung gebildet hatte, engte seine durch Vorerkrankungen geschädigte Lunge ein. „Durch eine Punktion ließ sich dieser Erguss nicht mehr entfernen. Die Diagnostik zeigte bereits deutliche Eiweißablagerungen am Rand des Ergusses, die zu vernarben drohten. Dann wäre der betroffene Lungenflügel in seiner Leistung auf Dauer stark gemindert geblieben. Deswegen war eine Operation nicht mehr zu vermeiden“, sagt Dr. Paul Swatek, Leiter der Sektion Thoraxchirurgie in der Klinik für Allgemein, Viszeral- und Thoraxchirurgie.
Als Vorerkrankungen hatte der Patient Lungenkrebs und eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD). „Die übliche Vollnarkose für einen operativen Eingriff an der Lunge beeinhaltet immer die künstliche Beatmung über einen speziellen Beatmungsschlauch. Ein Eingriff an der Lunge mit künstlicher Beatmung kann solche Patient*innen stark belasten“, erklärt Prof. Dr. Martina Nowak-Machen, Direktorin der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin, Palliativ- und Schmerzmedizin.
Gemeinsam entschieden sich Thoraxchirurgen und Anästhesisten deswegen für eine besonders patientenschonende Methode: einen video-assistierten thoraxchirurgischen Eingriff, bei dem der Patient selbstständig atmen kann. Der Fachbegriff für diese OP-Methode ist „Non-intubated videoassisted thoracic surgery“(NI-VATS).
Die Vorteile dieses minimalinvasiven Eingriffs sind für die Patient*innen vielfältig: Sie bleiben im überwachten Dämmerschlaf („Sedierung“) und erhalten gemeinsam mit schmerzlindernden Medikamenten eine lokale Betäubung. Der Einsatz dieser Methode ist nicht für alle Patient*innen geeignet, die sich einem Eingriff an der Lunge unterziehen müssen.
Aktuell wird diese Methode am Klinikum Ingolstadt nur bei kleineren Eingriffen ohne Entfernung von Lungengewebe eingesetzt. Eine gezielte Auswahl, welche gemeinsam durch die Thoraxchirurgen und Anästhesisten erfolgt, soll diese Methode in Zukunft auch bei Patient*innen mit Lungenkrebs zur Anwendung bringen.
Dr. Paul Swatek, Sektionsleiter Thoraxchirurgie, und Prof. Dr. Markus Rentsch, Direktor der Klinik für Allgemein, Viszeral- und Thoraxchirurgie, setzen den Schnitt für den minimalinvasiven Eingriff. Re. OP-Pfleger Florin Mechiu
Hohe Anforderungen an das OP-Team
Gleichzeitig stellt der Eingriff hohe Anforderungen an das OP-Team. „Ich bin sehr froh, dass wir am Klinikum Ingolstadt auf ein hochspezialisiertes Anästhesieteam zurückgreifen können, das solche anspruchsvollen Anästhesieverfahren beherrscht“, sagt Dr. Andreas Tiete, Geschäftsführer Medizin, Pflege und Informationstechnologie sowie Ärztlicher Direktor am Klinikum Ingolstadt. Im Verlauf der Operation muss es jederzeit möglich sein, doch noch auf eine künstliche Beatmung umzusteigen. „Für uns steht das Wohl unserer Patient*innen immer im Vordergrund. Die Einführung patientenschonender Techniken und Methoden haben für uns deswegen einen hohen Stellenwert“, erklärt Jochen Bocklet, Geschäftsführer Finanzen und Infrastruktur, Personal und Berufsbildungszentrum Gesundheit.
Die klinischen Schwerpunkte der Sektion Thoraxchirurgie am Klinikum Ingolstadt liegen in der vorwiegend minimal-invasiven Tumorchirurgie (Lungen- und Speiseröhrenkrebs) und der Chirurgie am Brustkorb (insbesondere der septischen Chirurgie). Dr. Swatek ist außerdem besonders spezialisiert, Eingriffe im Mediastinum, einer Körperhöhle zwischen den beiden Lungenflügeln, vorzunehmen. Dabei handelt es sich um einen chirurgisch anspruchsvollen Bereich, weil dort viele Nerven, Gefäße und Lymphbahnen verlaufen.