Ein geringeres Operationsrisiko, seltener Nebenwirkungen und weniger Schmerzen: das versprechen sich PD Dr. Martina Nowak-Machen und Dr. Micha Bahr von einem neuen Narkoseverfahren am Klinikum Ingolstadt. Seit wenigen Wochen setzen die Direktorin der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin und der Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie auf die sogenannte Kaudalanästhesie. Von ihr profitieren nun auch Frühchen.
„Im Unterschied zur Allgemeinanästhesie, wo wir den Kleinen die Narkosemedikamente ausschließlich über die Venen spritzen, werden bei der Kaudalanästhesie gezielt die Nerven betäubt, die den Operationsschmerz verursachen. Der Schmerz wird also genau da ausgeschaltet, wo er entsteht“, erklärt Dr. Nowak-Machen die Vorteile des Verfahrens. Konkret wird auf Höhe des Kreuzbeins ein örtliches Betäubungsmittel direkt in den Wirbelkanal injiziert, das die Nerven dort für einige Stunden lokal betäubt, in etwa wie eine Betäubung beim Zahnarzt. Das Verfahren setzt auf eine ähnliche Wirkung wie die Periduralanästhesie, wie sie viele von einer Geburt kennen. „Wir bewegen uns in sicherer Distanz, weit entfernt vom Rückenmark oder von leicht verletzlichen Nerven“, sagt die Narkoseexpertin. „Auch deshalb, weil bei uns jede Kaudalanästhesie unter Ultraschallkontrolle durchgeführt wird, so, dass wir ganz sicher alle wichtigen anatomischen Strukturen in Echtzeit beurteilen können und das Verfahren unter Sicht gezielt anwenden.“ Das mache das Verfahren für die jungen Patienten so sicher. Angst, dass ihre Kleinen während der OP wachliegen, müssen Eltern dennoch nicht haben: „Wir führen parallel eine leichte Vollnarkose durch, die jedoch wesentlich weniger Narkosemedikamente erfordert, als dies ohne die Kaudalanästhesie der Fall wäre. Trotzdem schlafen die Kinder ganz tief. Wir brauchen insgesamt wesentlich weniger Medikamente als bei einer reinen Allgemeinanästhesie, weshalb vor allem Nebenwirkungen von starken intravenösen Schmerzmitteln deutlich seltener auftreten“, weiß die Direktorin der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin.
Vorteile nicht nur für Frühchen
Genau diese Nebenwirkungen sind es, die Dr. Bahr und seinen Kollegen in der Nachsorge oft zu schaffen machen: „Frühchen leiden oft an Atemproblemen, welche durch gängige Narkoseverfahren verstärkt werden können. Sie müssen häufig erst noch lernen, eigenständig zu atmen. Die ersten eigenen Atemzüge sind für uns immer ein freudiges Ereignis und das Ziel muss stets sein, den Kindern eine Beatmung nach der OP zu ersparen. Denn das kann unsere kleinen Schützlinge wieder weit zurückwerfen“, so Dr. Bahr weiter. Das Problem: „Wenn den kleinen, frühgeborenen Patienten das Atmen für einige Zeit abgenommen wird, verlernt der Organismus – vereinfacht gesagt – das Atmen wieder. Und genau das möchten wir nicht. Bei der Kaudalanästhesie in Verbindung mit einer sanften Narkose ist die Gefahr für Atemaussetzer deutlich geringer“, berichtet PD Dr. Nowak-Machen. Der Vorteil für die Kleinen dabei ist, dass sie in aller Regel noch am OP-Tag wieder zurück auf die normale Station können und nicht über Nacht auf der Intensivstation bleiben. Das ganze Verfahren ist einfach wesentlich schonender und trägt zu einer schnelleren Genesung bei – nicht nur bei Frühchen, sondern bei allen Babys und auch Kleinkindern.
Angewandt werden kann die Kaudalanästhesie, die vor allem an Unikliniken bereits länger Standard ist, insbesondere bei einem Operationsgebiet unterhalb des Bauchnabels, also beispielsweise bei Leistenhernien oder Verwachsungen im Bauchraum, die noch aus der Embryonalzeit stammen. Beides sind Themen, die gerade bei Frühchen häufiger vorkommen. Aber auch bei Hodenoperationen oder urologischen OPs im Säuglings- oder Kleinkindesalter ist die „Kaudale“, wie sie auch genannt wird, inzwischen Standard und wurde bei Kindern ab einem Jahr bzw. 10 Kilogramm Körpergewicht auch bislang schon am Klinikum durchgeführt.
Auch der kleine Maximilian kam als Frühchen zur Welt.
Dank des schonenden Narkoseverfahrens hat er bereits mehrere Operationen gut überstanden. PD Dr. Martina Nowak-Machen und Dr. Bahr freuen sich mit den frischgebackenen Eltern.