Andrea S. und Markus Kellner sind an Covid-19 erkrankt und im Klinikum behandelt worden, beide kamen dem Tod ganz nah und sind heute wieder genesen

„Und plötzlich erfährst du, du hast Corona. Da bekommt man es schon mit der Angst zu tun“, erzählt Andrea S. Die 43-jährige Bürokauffrau aus dem Landkreis Pfaffenhofen hat drei Wochen im Klinikum Ingolstadt verbracht, zwölf Tage davon auf der Intensivstation. Sie sagt: „Die Ärzte und Pfleger haben mein Leben gerettet. Ohne sie wäre ich vielleicht gar nicht mehr da.“ Auch Markus Kellner aus Au in der Hallertau hat im Klinikum gegen die Folgen seiner Covid-19-Erkrankung gekämpft, einen ganzen Monat. Zweimal stand es äußerst kritisch um ihn – der 52-Jährige sprang dem Tod gerade noch einmal von der Schippe. Wie beide den Verlauf der Lungenkrankheit erlebt haben, haben sie im Gespräch mit dem Klinikkurier erzählt.

Bei der Frage, ob sie ein ängstlicher Mensch sei, muss Andrea S. nicht lange überlegen. „Nein, eigentlich nicht“, antwortet sie. „Ich hatte nie Angst, mich mit dem Coronavirus zu infizieren.“ Gute Handhygiene, genügend Abstand, sie habe sich von Anfang an an die Bestimmungen gehalten. Dass sie letztendlich auch die einzige an Covid-19-Erkrankte in ihrer Arbeit, einer Ingolstädter Firma, war, scheint ihr recht zu geben. „Obwohl wir ein Großraumbüro haben“, sagt sie. Dass sie sich nicht in der Arbeit infiziert hat, ist für sie damit klar. „Nur wo genau ich mich angesteckt habe, das weiß ich bis heute nicht. Vielleicht bei meinen Kindern.“ S. ist Mutter zweier Teenager, ihre Tochter habe tatsächlich so etwas wie eine leichte Erkältung gehabt. „Aber nichts Auffälliges“, so die 43-Jährige. Als sie ein Stechen in der Brust spürt, vermutet sie zunächst nichts Schlimmes. Erst als Fieber und Gliederschmerzen hinzukommen, kontaktiert sie ihren Hausarzt. „Der meinte auch, es deute alles auf eine Grippe hin und ich solle mich schonen.“ Doch die Schmerzen bleiben und Andrea S.‘ Körpertemperatur steigt immer weiter an. Als sie bereits knapp 39 Grad Fieber hat, ruft ihr Sohn einen Krankenwagen. Der bringt die geschwächte Frau ins Klinikum nach Ingolstadt. Selbst zu diesem Zeitpunkt glaubt sie noch nicht daran, sich mit dem Sars-Cov2-Erreger infiziert zu haben.

Markus KellnerAuch Markus Kellner vermutet zunächst, es mit einer Erkältung zu tun zu haben. Als er Schnupfen und Schüttelfrost bekommt, setzt er zunächst auf Vollbäder und Ibuprofen. „Doch ich fühlte mich nur schwächer und schwächer“, erzählt der Lehrer für katholischen Religionsunterricht an mehreren Grundschulen. „Als ich meinem Hausarzt meine Symptome schilderte, empfahl er mir, meine Asthma-Medikamente kurzzeitig abzusetzen.“ Ein fataler Fehler, wie sich noch herausstellen sollte. Kellners Zustand verschlechtert sich von da an rapide. Er beschließt, sich eine medizinische Zweitmeinung einzuholen. „Die Ärztin sagte, ich muss sofort ins Krankenhaus.“ Im Krankenhaus in Pfaffenhofen erfährt er schließlich, dass er positiv auf das Coronavirus getestet wurde, vermutlich hatte er sich an einer der Grundschulen, an denen er arbeitet, infiziert. „Man sagte mir, dass ich eine schwere Lungenentzündung hätte und sofort ins Koma gelegt werden muss. Das war alles ein riesen Schock für mich.“ Kurz kann Kellner dann noch mit seiner Frau telefonieren, ehe er in den künstlichen Schlaf versetzt und noch im Koma ins Klinikum nach Ingolstadt verlegt wird. Zehn Tage dauert es, bis Markus Kellner wieder aufwacht. „Ich habe einen Luftröhrenschnitt bekommen und man hat mir erzählt, dass mein Leben während der Zeit im Koma zweimal auf der Kippe stand.“

Als Andrea S. mit dem Krankenwagen am Klinikum ankommt, wird auch ihre Lunge zunächst mittels Computertomographie durchleuchtet und ein Abstrich genommen. Als das Ergebnis positiv ist, kann sie es nicht glauben. Ausgerechnet sie sollte sich infiziert haben? Mit 43 Jahren gehört sie nicht zur Risikogruppe „und Vorerkrankungen habe ich auch nicht“, sagt sie. Doch plötzlich hat sie Angst um ihr Leben – und um ihre beiden Kinder. „Ich habe erst voriges Jahr meinen Mann an Krebs verloren. Alles, was ich dachte, war nur, ich kann meine Kinder nicht zu Vollwaisen machen.“ Auf der Intensivstation wird die 43-Jährige intubiert, die ersten Tage verbringt sie in einem sedierten Zustand. „Ich habe viel geträumt. Plötzlich habe ich mich an Dinge in meiner Kindheit erinnert und an Märchen“, erzählt sie. Doch die Zeit sei auch belastend gewesen, nicht nur für ihren Körper. „Man hört alles, Stimmen, Geräusche und auch, wenn jemand in deiner Nähe den Kampf verliert. Ich war heilfroh, als ich wieder bei vollem Bewusstsein war“, sagt sie.

Ganz ähnliche Erfahrungen macht auch Markus Kellner. „Ich habe im Koma durchaus etwas von meinem Außenrum wahrgenommen und die Geräusche auch in meine Träume eingebaut. Das waren irre Träume. Mal gute, mal schlechte.“ So habe ihn ein Traum verfolgt, in dem er dachte, er würde all seine Zähne verlieren. „Ich war der festen Überzeugung, dass ich erst einmal zum Zahnarzt muss, wenn ich wieder aufwache.“ Heute kann Kellner darüber lachen. Damals jedoch sei ihm alles andere als zum Lachen zumute gewesen. Vor allem nicht, als er aus dem Koma aufwacht. „Ich wusste ja nicht, wo ich bin. Ich konnte mich auch nicht erinnern, dass ich zunächst im Krankenhaus in Pfaffenhofen war und natürlich auch nicht daran, dass ich nach Ingolstadt verlegt wurde.“ Nach dem Aufwachen habe er ein Stück blauen Himmels vom Fenster aus gesehen und nicht schlecht gestaunt, als ein Pfleger in einem Ganzkörperschutzanzug zu ihm ins Zimmer kommt. „Ich dachte, das muss ein Marsmännchen sein. Ich war nicht sicher, ob es real war“, erzählt Kellner. Doch nachfragen – Fehlanzeige. „Ich war noch zu schwach und in meinem Hals steckten Schläuche.“ Zum Glück habe eine der Pflegerinnen seine fragenden Blicke richtig gedeutet und ihn schnell aufgeklärt. „Das Team auf der Intensivstation war richtig toll, jeder hat mir geholfen, wo er nur konnte“, resümiert er. Denn als Markus Kellner aus dem Koma erwacht, hat sein Körper bereits sehr viel Muskelmasse abgebaut. „Ich konnte kaum einen Stift halten geschweige denn gehen“, beschreibt er. Bis er wieder richtig schreiben konnte, dauerte es Wochen.

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Dieselbe Erfahrung macht auch Andrea S. – auch sie ist anfangs motorisch stark eingeschränkt. Am neunten Tag auf der Intensivstation soll sie das erste Mal aufstehen und gehen. „Das schien mir unmöglich“, erinnert sie sich. „Ich habe immer wieder gesagt, ich kann das nicht.“ Doch ihre Pfleger auf der Station gaben nicht auf. „Sie haben mich immer wieder motiviert und bestärkt“, sagt sie. „Das Team ist unglaublich, ich verdanke ihnen so viel!“ Im wahrsten Sinne Schritt für Schritt kämpft sie sich zurück ins Leben, nach zwölf Tagen auf der Intensivstation kann sie auf eine der Normalstationen verlegt werden. Sie weint dabei, es sind Tränen der Erleichterung. Weitere zwölf Tage vergehen, bis Andrea S. endlich nach Hause darf. „In diesen zwölf Tagen bin ich jeden Tag, jede Stunde einmal aufgestanden und bin gelaufen. Ich musste mich zwingen und hatte immer noch Schmerzen in der Brust, aber ich wollte es schaffen“, sagt sie. Dann endlich kommt die erlösende Nachricht: zwei negative Tests im Abstand von 48 Stunden, Andrea S. hat das Coronavirus besiegt. Nach insgesamt drei Wochen im Klinikum wird sie in die zweiwöchige Heimquarantäne entlassen und darf zum ersten Mal ihre beiden Kinder wiedersehen. „Dieses Gefühl kann ich keinem beschreiben“, sagt sie noch immer gerührt.

 

Markus Kellner wird nach fast drei Wochen von der Intensiv- auf eine Normalstation verlegt. Acht Tage muss er dort bleiben. Mit Hilfe der Physiotherapie des Klinikums lernt er dort wieder selbständiges Gehen. Erst nach rund einem Monat endet sein Aufenthalt im Klinikum. Weil die Lungenkrankheit bei ihm schlimmer verlaufen ist als bei Andrea S., kann er jedoch noch nicht nach Hause entlassen werden. In einer Reha-Klinik in Ansbach muss er mühsam das zurücklernen, was ihm die Krankheit genommen hat: richtiges Laufen, schonendes Atmen, Feinmotorik. „Kleine Dinge, die man zuvor als selbstverständlich erachtet hat“, sagt der 52-Jährige. Auch er hat seine Familie aus Sicherheitsgründen während der Zeit im Klinikum nur übers Smartphone erreichen können. „Es ist schlimm, wenn man als Schwerstkranker keinen Besuch von seinen Lieben bekommen kann“, sagt er. Dennoch habe er die Unterstützung spüren können, von seiner Familie und der Kirchengemeinde seines Heimatortes, das habe ihm Kraft gegeben. Insgesamt, sagt Kellner, hat ihn seine Erfahrung mit dem Coronavirus bescheidener werden lassen. „Das Leben ist so kostbar und mein einziger Wunsch ist es, gesund zu sein.“ Ob er Folgeschäden behalten wird, ist noch nicht absehbar, noch braucht er eine leichte Sauerstoffzufuhr. Fest steht jedoch, er hatte genau wie Andrea S. großes Glück. Glück, das andere Infizierte nicht hatten. „Mich hat diese Erfahrung gelehrt, dass viele der Dinge, über die wir uns täglich aufregen, eigentlich unwichtig sind. Wichtig sind die Gesundheit und die Familie, sehr viel mehr braucht es im Leben doch eigentlich nicht“, sagt die 43-Jährige.

 

Prof. Dr. Karlheinz Seidl, Direktor der Medizinischen Klinik I im Klinikum Ingolstadt, über die Behandlung von Andrea S.:

Prof. Dr. Karlheinz Seidl, Direktor der Medizinischen Klinik I im Klinikum Ingolstadt Prof. Dr. Karlheinz Seidl, Direktor der Medizinischen Klinik I im Klinikum Ingolstadt

Frau S. kam zu uns in die Notfallklinik mit typisch grippeartigen Beschwerden: Die Patientin fühlte sich schlapp, müde, war appetitlos, hatte leichten Husten, sowie Kopf- und Gliederschmerzen. Über Tage hatte sie Fieber bis zu 38,5 Grad. In der Notfallklinik vermutete man sofort Covid-19 und es wurde neben einer Blutentnahme auch ein Röntgenbild der Lunge angefertigt. Hier zeigten sich die typischen Veränderungen einer Lungenentzündung, die durch das Covid-Sars-2 Virus ausgelöst wurde. Zwei positive Abstriche bestätigten den Verdacht. Die Patientin wurde auf unsere Isolierstation aufgenommen, ihr Zustand verschlechterte sich jedoch und sie musste auf die Intensivstation verlegt werden, wo sie vorübergehend beatmet wurde. Nach einigen Tagen zeigte sich eine Stabilisierung, ihr Zustand blieb dennoch sehr kritisch. Da man weiß, dass die Belüftung der Lunge deutlich besser in Bauchlage ist, hat sich die Patientin immer wieder auf den Bauch gelegt und versucht, dadurch die Lunge zu entlasten – auch wenn so eine Bauchlage ohne künstlichen Schlaf auf Dauer extrem unangenehm und auch anstrengend ist. Frau S. blieb aber tapfer, hat auf die Anweisungen des Pflegepersonals und des ärztlichen Personals vertraut und sich genau daran gehalten. So hat sie enorm zur Verbesserung ihrer kritischen Situation beigetragen. Letztendlich konnte die Patientin dann wieder auf Normalstation verlegt werden, von wo aus sie einige Tage später nach Hause entlassen wurde. (Foto Seidl ein- oder halbspaltig)

 

Dr. Martina Nowak-Machen, Direktorin der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin im Klinikum Ingolstadt, hat Markus Kellners Behandlung betreut:

PD Dr. Martina Nowak-Machen, Direktorin der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin im Klinikum Ingolstadt PD Dr. Martina Nowak-Machen, Direktorin der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin im Klinikum Ingolstadt

Für eine Genesung ist es extrem wichtig, den körperlichen Stress, der durch die zugrundeliegende schwere Erkrankung hervorgerufen wird, so gut wie möglich abzuschalten v.a. in der kritischen Phase der intensivmedizinischen Behandlung. So auch im Fall von Herrn Kellner, der bereits mit einem liegenden Beatmungsschlauch zu uns kam. Er wurde deshalb ins künstliche Koma versetzt − ein durch Schlaf- und Schmerzmedikamente hervorgerufener künstlicher Schlaf, mit dem die Schmerzwahrnehmung ausgeschaltet und auch das Bewusstsein gezielt gedämpft werden kann und die Patienten ruhig schlafen. Ein wacher Mensch toleriert den Beatmungsschlauch nur sehr schwer, geschweige denn die künstliche Beatmung über ein Beatmungsgerät, die für Herrn Kellner überlebenswichtig war. Aus diesem Grund wurde auch Herr Kellner zum Zeitpunkt der Beatmung in das künstliche Koma gelegt. Sobald Patienten auf dem Weg der Besserung sind, werden die schlaferhaltenden Medikamente schnellstmöglich wieder ausgeschlichen und die künstliche Beatmung beendet. Um Herrn Kellner die Entwöhnung vom Beatmungsgerät zu erleichtern und die Atemmuskulatur langsam wieder trainieren zu können, wurde bei ihm ein Luftröhrenschnitt durchgeführt. Ein Luftröhrenschnitt ist ein zirka zwei Zentimeter großer Schnitt, der oft ohne Operation direkt von den Intensivmedizinern auf der Station durchgeführt werden kann. Nach Beenden der Beatmung wächst das Loch dann einfach wieder zu. Die Träume, die Herr Kellner und Frau S. so eindrücklich beschreiben, sind etwas, was viele Patienten, die im künstlichen Koma liegen im Nachhinein beschreiben. Oft sind diese Träume Teil eines intensivmedizinischen Komplexes, dem sogenannten Delir. Das Delir tritt bei bis zu 80 Prozent aller Intensivpatienten auf und ist gekennzeichnet durch „wilde“ Träume, Desorientiertheit teilweise auch Agitiertheit.

Veröffentlicht: 10. Juli 2020 | Aktualisiert: 14. November 2024 | Kategorien: Klinikums G'schichten |
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